Gaza-Krieg: Ein internationaler Blick

08. Januar 2024  International
Geschrieben von Redaktion

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Die Rolle verschiedener internationaler Akteure im Gaza-Krieg und unterschiedliche Endszenarien waren Thema in der 9. Folge von „dis:arm“, dem friedenspolitischen Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Mediator Katar

Die Vermittlerrolle Katars im aktuellen Konflikt habe mit dem spannungsreichen Verhältnis zu seinen Nachbarstaaten zu tun, erläuterte Ivesa Lübben, ehemalige Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tunis. So vertrete das direkt angrenzende Saudi-Arabien die Meinung, das Emirat gehörte eigentlich dem saudischen Königshaus, während man sich mit dem Iran ein Gasfeld im Persischen Golf teile. Die fragile Situation führe dazu, dass man mit allen Akteuren Kontakt pflege, um durch die Diplomatie eine gewisse Immunität zu erlangen. „In Krisenzeiten tritt Katar oftmals als Mediator auf“, veranschaulichte sie diese Politik.

Souveränes Saudi-Arabien

Anders sähe es mit der saudischen Monarchie aus. „Saudi-Arabien ist ein reiches Land, dessen größte Handelspartner die Volksrepublik China und Indien sind“, stellte Lübben fest. Diese wirtschaftliche Unabhängigkeit führe dazu, dass die Vereinigten Staaten kaum Druck auf das Land ausüben könnten, den so genannten Abraham-Abkommen beizutreten. Diese Verträge sehen engere Beziehungen zu Israel vor und wurden etwa von Marokko oder dem Sudan unterzeichnet. Um seinen Anspruch als Führungsmacht der arabischen Welt gerecht zu werden, brauche das wahhabitische Königshaus darüber hinaus noch etwas. „Ein erfolgreicher Friedensprozess müsste ein arabisches Ostjerusalem beinhalten“, sagte sie. Dies sei jedoch noch in weiter Ferne.

Iran: keine Eskalation

Ihrer Einschätzung nach hätten weder die libanesische Hisbollah noch der Iran, der die islamistische Terrororganisation finanziere, ein Interesse an der Ausweitung des Krieges. Die Hisbollah sei als Reaktion auf israelische Drohungen, die iranischen Atomanlagen zu bombardieren, aufgebaut worden, erklärte sie deren Entstehung in den 80er Jahren. „Israelische Luftschläge gegen die Uranzentrifugen hätten den Raketenbeschuss von Tel Aviv und Haifa durch die Hisbollah zur Folge“, stellte sie klar. Doch weder der Iran noch die Hisbollah seien darauf aus, den von Bürgerkrieg und Inflation geschwächten Libanon in einen Krieg mit Israel zu führen.

USA: Zwei-Staaten-Lösung?

Stefan Liebich, künftiger Leiter des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York, blickte auf die Position der Vereinigten Staaten. Dort lebten vermutlich mehr Jüd*innen als in Israel selbst, des weiteren hätten evangelikale Christ*innen eine starke Orientierung an der rechten Netanjahu-Regierung. US-amerikanische Linke sähen den Nahost-Konflikt hingegen mit der Brille einer europäischen Kolonisation, wandte er ein. „Präsident Joe Biden ist an einer nachhaltigen Lösung des Konflikts interessiert“, sagte er mit Blick auf die anstehenden Wahlen. Der Angriff der Hamas habe gezeigt, dass das bloße Verwalten des Palästina-Problems und Abkommen mit arabischen Staaten keine Lösung sei. „Jetzt wird wieder über die Zwei-Staaten-Lösung geredet“, ging er auf aktuelle Tendenzen ein.

Optimale Entwicklung

„Optimalerweise kommt es nach dem Ende der Besetzung des Gazastreifens zu einem Wiederaufbau hin zu nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung“, skizzierte Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik eine Möglichkeit. Dies schließe den freien Personen- und Warenverkehr, ein Ende der israelischen Blockade sowie die Förderung des vor der Küste liegenden Erdgases durch die Palästinenser*innen ein. „Als Übergang zu diesen Szenario müssten internationale Truppen und eine ebensolche Verwaltung für Sicherheit und die Versorgung der Bevölkerung sorgen“, erklärte sie.

„Mit aktuellen Regierungen nicht möglich“

Doch da die UN-Mission im Libanon (UNIFIL) keine Sicherheit vor der Hisbollah gebracht hätte, bezweifele sie, dass die israelische Regierung einem ähnlichen UN-Auftrag in Gaza zustimmen würde. „Das kann höchstens eine US-geführte Koalition sein“, gab Asseburg zu bedenken. Doch müsse dieses Vorgehen auch in einem klar definierten Friedensprozess eingebettet sein. „Mit der aktuellen Regierung in Israel und dem Westjordanland ist das nicht möglich“, lautete ihr bitteres Fazit.

PA: Weder Wahlen noch Gewaltenteilung

Denn es bräuchte eine legitimierte Palästinensische Autonomiebehörde (PA), die ausreichend finanziert sei, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. „Eine Wahl, um die Behörde entsprechend zu legitimieren, nimmt viel Zeit in Anspruch“, gab sie zu bedenken. Denn diese müsse den Kern des palästinensischen Staates bilden. Die letzte Wahl in den palästinensischen Gebieten fand vor 18 Jahren statt. Nötig sei eine PA, die nicht als Sicherheitsapparat im Rahmen der Besatzung, sondern als demokratische Institution mit Gewaltenteilung fungiere, mahnte Asseburg.

Düstere Prognosen

Ihre Prognose sei jedoch viel düsterer. Etwa eine Abriegelung, die weder Trinkwasser noch Elektrizität oder Treibstoff von Israel in den Gazastreifen lasse. Auch führten geschlossene Checkpoints dazu, dass viele einst in Israel arbeitenden Palästinenser*innen abhängig von UN-Hilfslieferungen seien. „Eine von Israel geforderte Pufferzone würde den Verlust landwirtschaftlicher Flächen und Wohnraums bedeuten“, warnte sie. Hoffnungsvoll stimmte sie jedoch eine Umfrage des israelischen Instituts Mitvim. Derzufolge sprachen sich 37 Prozent der Israelis für eine israelische Kontrolle Gazas aus, 39 Prozent hingegen forderten jedoch den Einsatz internationaler Truppen.

Weiterführende Links:

« zurück