Hamas-Israel-Krieg: Ein Blick von innen heraus

10. November 2023  International
Geschrieben von Kreisverband

Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0

Ein grenzüberschreitender Humanismus sei nötig, um Terror und militärischer Gewalt etwas entgegenzusetzen. Zu diesem Ergebnis kamen Gil Shohat und Karin Gerster von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Beide sprachen im friedenspolitischen Podcast der RLS über ihre Erfahrungen in Israel und Palästina.

Menschlichkeit gegen Gewalt

„In unserem Team kannte fast jede*r jemanden, der*die von den Massakern der Hamas betroffen war“, erklärte Gil Shohat, Leiter des RLS-Büros in Tel Aviv (Israel). Andererseits hätten Reporter*innen auch viele Bekannte im Gazastreifen gehabt, die durch die anschließenden Luftangriffe zu Schaden gekommen wären. „Die jüdischen und palästinensischen Journalist*innen setzen sich für einen universellen Humanismus ein“, beschrieb er deren Reaktion. Damit wolle man dem militärischen Moment in der Gesellschaft etwas entgegensetzen. „Eine Bodenoffensive im Gazastreifen ist mit dem Schutz der entführten Geiseln nicht vereinbar“, warnte er.

Israels Linke ist getroffen

Unter den Opfern des Anschlags auf die Kibbuzim seien auch zahlreiche israelische Friedensaktivist*innen und Besatzungsgegner*innen gewesen“, erläutert Shohat. Die Angriffe der Hamas hätten auch zu einer Krise der israelischen Linken geführt. Einerseits sähe man sich alleine der rechten Hegemonie gegenüber, die sich als Reaktion auf den Terror in einem starken Militarismus äußere. Andererseits fühle man sich auch von der globalen, postkolonial geprägten Linken entfremdet. „Für das Zusammenleben von Israelis und Palästinenser*innen gibt es aber keine militärische Lösung“, gab er zu bedenken.

Schutz vor Siedler*innen

„Linke Aktivist*innen werden auf offener Straße angegriffen, wenn sie Solidarität mit den Zivilist*innen in Gaza zeigen“, beschrieb Shohat das gesellschaftliche Klima. Der aufgeheizten Situation zum Trotz fahre eine Kollegin regelmäßig ins Westjordanland, um dort palästinensische Familien vor den Angriffen militanter Siedler*innen zu schützen, die sich deren Land aneignen wollten. „Das Leid der Bevölkerung und der verschleppten Geiseln darf nicht für das Programm der rechten Regierung ausgenutzt werden“, lautete sein Appell.

Kritische Zivilgesellschaft fördern

Ähnlich lauteten die Gedanken von Karin Gerster, die das RLS-Büro in Ramallah (Palästinensische Autonomiebehörde) leitet. „Siedlungen und Kollektivstrafen bringen keine Sicherheit“, erklärte sie. Stattdessen müsse man für ein gemeinsames Leben in Würde, Gerechtigkeit und Freiheit arbeiten. „Im Juni waren laut einer Umfrage 80 Prozent der Bevölkerung für die Absetzung des autoritär regierenden Mahmud Abbas“, erklärte sie (Die letzten Wahlen im von der Hamas kontrollierten Gazastreifen und dem von der Fatah regierten Westjordanland fanden 2006 statt). Die Äußerungen internationaler Geldgeber*innen, die Finanzierung von Projekten in Palästina einzustellen, sehe sie kritisch. „Wenn die palästinensische Zivilgesellschaft jetzt nicht mehr gefördert wird, bringt man die einzige kritische Gegenstimme zu Hamas und Fatah zum Schweigen“, warnte sie.

Hoffnungslosigkeit führt zu Extremismus

Die Bevölkerung im Westjordanland sei von den seitens der Hamas verübten Massakern überrascht und entsetzt gewesen, erläuterte Gerster. Doch herrsche auch eine große Frustration, weil palästinensische Stimmen gegen die israelische Besatzung kein Gehör fänden. „Aufgrund der Hoffnungslosigkeit nahm die Akzeptanz von bewaffnetem Widerstand in den Autonomiegebieten zu“, blickte sie zurück. Seit dem 7. Oktober seien auch alle palästinensischen Dörfer im Westjordanland abgeriegelt und 5.000 Menschen verhaftet worden. „Eine unserer Mitarbeiterinnen hat bei einem Bombardement in Gaza 25 Familienangehörige verloren, in der darauffolgenden Nacht 23 weitere“, beschrieb sie die Situation in ihrem Team.

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