Gemeinsam Sorge vergesellschaften

16. März 2023  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Caren Tepp von Cidudad Futura (Quelle: https://ciudadfutura.com.ar/, Collage)

Einblicke in die Kämpfe einer argentinischen Bewegungspartei, aber auch der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ gab es bei der Veranstaltung „Gemeinsam Sorge vergesellschaften“. Sie war Teil der Konferenz „Sorgende Städte – Kommunale Strategien für feministisches Vergesellschaften“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Genossenschaft gegen Großkonzern

Der besondere Fokus der Bewegungspartei Cidudad Futura liege auf der Selbstverwaltung der Menschen, erklärte Caren Tepp aus Rosario. Hier versuche man, alternative Lebensstile und postkapitalistische Entwürfe auch in Argentinien zu ermöglichen. „Wenn unsere Mitglieder in Produktionsgenossenschaften Lebensmittel nachhaltig herstellen, stärkt das die Gemeinschaft, die Umwelt und macht unabhängig von multinationalen Großkonzernen“, erläuterte sie.

Straße und Parlament

Ähnlich strebe man in den Bereichen Bildung und Kultur an. „Wir zeigen durch konkrete Projekte, dass es Alternativen zum aktuellen System gibt“, ist Tepp sich sicher. Positiv sei auch die Organisierung als Partei. Denn die Debatten sollten nicht nur in aktivistischer Form auf der Straße, sondern auch in den Parlamenten geführt werden.

Für Grundbedürfnisse, gegen Spekulation

Tepps erstes Engagement galt den Bewohner*innen illegaler Siedlungen, die weder Zugang zu Trinkwasser, Bildung, Gesundheit oder zu öffentlichen Verkehrsmitteln hatten. In Argentinien leben etwa 10 Millionen Menschen – fast ein Viertel der Bevölkerung – unter solchen Bedingungen. „Wir kämpften gegen Bodenspekulation, die aus kommunalen Flächen Wohnungen als private Kapitalanlage machen wollten“, erinnerte sie sich.

Städte für ein gutes Leben

Nachdem man sich mit der Bewegung „26. Juni“ zusammenschloss – eine Gruppe, die Jugendlichen eine Perspektive gab, um sie nicht in die Arme der Drogenkartelle zu treiben – gründete sich die Cidudad Futura. „Mittlerweile sind wir die stärkste Oppositionspartei im Stadtrat“, schilderte Tepp die Erfolgsgeschichte. Ihrer Meinung nach sollte jede Kommune selbst eine solche Partei entwickeln, damit in ganz Argentinien ein Netzwerk von „Städte für ein gutes Leben“ entstehen könne. „Das ist demokratischer Munizipalismus“, erklärte sie die Organisationsform.

Erst Mate, dann die Revolution

Tashy Endres von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ bestätigte die guten Erfahrungen, die Tepp bei ihrer Arbeit in den Favelas gemacht hat. Endres selbst war 2003 in der Landlosenbewegung aktiv gewesen. „Ich habe gemerkt, dass nichts funktioniert, bevor man sich zusammensetzt und gemeinsam Mate trinkt“, brachte sie ihre Erkenntnisse auf den Punkt. Die persönliche Beziehung und die Alltagsprobleme des Gegenübers seien entscheidend, wenn man auch über komplizierte politische Dinge reden wolle. „Wenn wir in Berlin einen Platz besetzten, hatten wir auch immer einen Samowar dabei, um mit den Nachbar*innen und Passant*innen Tee trinken und ins Gespräch kommen zu können“.

Gesundheit und Wohnen sind keine Ware

Bei der Kampagne zur Enteignung der Wohnkonzerne habe sie immer wieder gesehen, dass Menschen die wichtigen Werte einer Gesellschaft schon verinnerlicht hätten – nicht die Profite der Vermieter*innen seien erstrebenswert, sondern das allgemeine Recht auf Wohnen. „Mit unserem transformatorischen Ansatz fragen wir die Menschen nach ihren Problemen und suchen gemeinsam Lösungen, erklärte sie. Diese gegenseitige Zusammenarbeit sehe man auch bei der Berliner Krankenhausbewegung. „Die sammelten für unseren Volksentscheid Unterschriften und wir standen an ihren Streikposten“, beschrieb Endres das Miteinander. Denn – Gesundheit und Wohnen sind keine Ware.

Mehr Personal in Kitas

Teresa Gärtner vom feministischen Streik Jena erläuterte, wie ihre Gruppe sich von verschiedenen Schwerpunkten auf das Thema Sorgearbeit spezialisiert hätte. So unterstützte man anfangs – auch jenseits des 8. März – Arbeitskämpfe in Kliniken oder Reinigungsfirmen, organisierte Veranstaltungen zu Gewalt gegen Frauen sowie die Abschaffung der Paragrafen 218 (Schwangerschaftsabbruch) und 219a (Werbeverbot für Abtreibungen).

Mit der Corona-Pandemie änderte sich dies. „Als die Kitas geschlossen wurden, merkten wir, wie hoch die Belastung für Eltern und Kleinkinder war“, blickte sie zurück. Seither setze man sich gemeinsam mit Elternbeiräten und Gewerkschaften für einen besseren Personalschlüssel ein, um Erzieher*innen zu entlasten.

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