Sebastian Kurz: Radikalisierter Konservatismus

19. Februar 2023  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Natascha Strobl (Foto: Stefanie Loos/re:publica, Ausschnitt, CC-BY-SA-2.0)

Die Übernahme der Methoden der Neuen Rechten, um damit einen autoritären Staat zu formen, ist das Ziel des radikalisierten Konservatismus. Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl erläuterte dies am Beispiel Österreich. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Stiftung Demokratie Saarland.

Zweifel an Demokratie

Der Niedergang der Volksparteien, aber auch die Finanzkrise (2008) oder die Auswirkungen des Klimawandels führten zu einem Hegemonieverlust der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie, erläuterte die Politologin. Einerseits seien viele Menschen mit geringem Einkommen aufgrund ihres Migrationshintergrunds von politischer Teilhabe ausgeschlossen – 62 Prozent der Hilfsarbeiter*innen in Wien haben wegen der fehlenden österreichischen Staatsbürgerschaft auch kein Wahlrecht. „Eine große Menge fühlt sich von Parteien, Institutionen und den Medien nicht mehr vertreten“, sagte Strobl mit Blick auf Personen, die das demokratische System in Gänze in Frage stellen.

Ziel ist der autoritäre Staat

Einige Konservative der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) versuchten, aus dieser Unzufriedenheit Kapital zu schlagen, indem sie bei Themen wie Migration und Innere Sicherheit die Positionen der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) übernähmen. Ziel sei, bürgerliche Freiheiten, wie sie durch die 68-Bewegung entstanden seien, wieder rückgängig zu machen, um zu einem autoritären Staat zurückzukehren. „Hinter der bürgerlichen Fassade steckt eine auf Macht ausgerichtete Rohheit“, stellte die Wissenschaftlerin fest.

Gegen antifaschistisches Erinnern

Zuerst bediene man sich des bewusst inszenierten Regelbruchs. „Bei der Befreiungsfeier des Konzentrationslagers Mauthausen war Sebastian Kurz der erste Bundeskanzler seit Bestehen der Zweiten Republik, der seine Teilnahme absagte“, wies sie auf einen politischen Eklat am 8. Mai 2021 hin. Während der israelische Botschafter, Delegationen der einstigen Alliierten und Vertretungen von Opferverbänden der Toten gedachten, entschieden sich Kurz und seine Regierungspartei, dem antifaschistischen Erinnern fernzubleiben.

Das „Volk“ ist in Gefahr

Durch die Verbreitung von emotionalisierten Halbwahrheiten werde darüber hinaus die massive Polarisierung der Gesellschaft vorangetrieben. „Der rechte Kulturkampf propagiert die Gefährdung einer weißen, heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft durch Linke und Muslime“, beschrieb Strobl die Agenda. Beispiele seien die angebliche Abschaffung von Weihnachtsmärkten oder das Verbot von Schweinefleisch in Schulkantinen. Um dieser „Bedrohung“ entgegenzuwirken, inszeniere man auch gerne einmal mitten in der Nacht die medienwirksame Abschiebung eines zwölfjährigen Mädchens samt Polizei und Hundestaffel, erläuterte sie.

Gleichschaltung der Justiz

Ein besonderes Augenmerk diene auch dem antidemokratischen Staatsumbau. „Die Justiz soll sich der regierenden Partei unterordnen“, fasste die Expertin das Konzept zusammen. So hatte Kurz versucht, eine Staatsanwaltschaft als angebliches „rotes Netzwerk“ aufzulösen. Dabei hatte es sich um die Anwaltschaft für Wirtschafts- und Korruptionsangelegenheiten gehandelt, die zu dem Zeitpunkt Ermittlungen gegen die ÖVP führte. Mit Donald Trump in den USA, Boris Johnson in Großbritannien oder Viktor Orban in Ungarn seien solche Strategien über Österreich hinaus schon vielfach in Regierungspositionen gewesen, zeigte Strobl die globale Perspektive auf.

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