Warum Marxist*in sein?

25. Oktober 2022  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Starke Bezüge zum Feminismus sowie eine kontinuierliche Kritik des autoritären Kommunismus. Dies mache das Wesen des Marxismus aus. Auf der Veranstaltung „Warum Marxist*in sein?“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung ging es um persönliche und geschichtliche Bezüge der Lehre von Marx.

Der Feminist Karl Marx?

Marx habe zwar wenig über Feminismus im heutigen Sinne geschrieben, erläuterte Katja Kipping (Die Linke). Doch habe er in der „Deutschen Ideologie“ das Verhältnis von Frau und Kindern zu ihrem Ernährer als das erste Sklavenverhältnis charakterisiert, da der Mann über deren Arbeitskraft verfüge. Ähnlich sei die Bezugnahme auf Charles Fourier zu verstehen, demnach der Grad der weiblichen Emanzipation das Maß der allgemeinen Selbstständigkeit darstelle.

Gleichstellung in Arbeit und Freizeit

Im Kapitalismus führe die unbezahlte Care-Arbeit der Frau (Haushalt, Kindererziehung) dazu, dass wegen geringer Sozialkosten die Profite der Unternehmen stiegen, sagte Kipping. „Wir müssen sowohl Kapitalismus als auch das Patriarchat bekämpfen“, folgerte sie daraus. Freiheit im marxschen Sinne bedeute, dass Männer und Frauen gleichermaßen Zeit für politisches Engagement, persönliche Weiterentwicklung, Care- und Lohnarbeit haben müssten. Notwendig dafür sei die Reduzierung der Lohnarbeit auf sechs Stunden pro Tag.

Marxismus nicht gleich Kommunismus

„Für Lohnabhängige bedeutet ‚Marxist*in sein‘ die Verwandlung von einstigen Konkurrent*innen in Genoss*innen“, stellte der Philosophieprofessor Wolfgang Haug den Kernpunkt der politischen Einstellung dar. Nach der Russischen Revolution von 1917 traten tausende Menschen auf der ganzen Welt der Kommunistischen Internationalen (Komintern) bei. Allerdings wurde in der von Stalin dominierten Organisation Marxismus de facto gleichgesetzt mit Kommunismus. In der Zeit des Nationalsozialismus lautete das erklärte Ziel vieler Marxist*innen, den kommunistisch geführten Widerstand gegen den deutschen Faschismus zu unterstützen – allerdings erst nach Auflösung des Hitler-Stalin-Paktes (1941).

„So normal wie Zähneputzen“

Als die protestantische Theologin Dorothee Sölle (1929-2003) erfuhr, dass CIA-Mitarbeiter in Vietnam neben folternden Geheimdienstlern anderer südasiatischer Länder standen, um Tonbandaufnahmen von Geständnissen sogenannter Kommunisten zu machen, wurde sie politisiert. Sie gründete die europäische Sektion der Christ*innen für den Sozialismus und sagte, Marxist*in zu sein, sei so normal, wie sich die Zähne zu putzen. Wer die Worte der jüdischen Propheten Amos und Jesaja verkünde, müsse auch von den Philosophen Marx und Engels reden, schlussfolgerte sie.

Stalin tötet Marxist*innen

Die Publizistin Angelika Balabanova (1869-1965) sprach sich in der Zimmerwalder Konferenz (1915) gegen den Ersten Weltkrieg aus und zog nach der Revolution in die Sowjetunion. Nach der blutigen Niederschlagung des rätedemokratischen Kronstädter Aufstands (1921) sowie des Staatskapitalismus, der mit Lenins Neuer Ökonomischen Politik (NEP) ihren Lauf nahm, kritisierte sie die Bolschewiki mehr und mehr, bis sie das Land schließlich verließ. Ihrer Meinung nach dürfe die Welt das sowjetische System nicht mit dem Marxismus gleichsetzen. „Bei der Stalinisierung der Kominternen zählten Marxist*innen weltweit zu den ersten Opfern des ‚Roten Zaren‘“, schilderte Haug Terror und Repression unter Stalin.

Solidarität statt Macht

Rudi Duschke kam durch die militärische Intervention sowjetischer Truppen in Ungarn (1956) in Konflikt mit der SED-Regierung und floh kurz vor dem Mauerbau nach Westberlin. Sein Widerstand gegen den behördlich verordneten Staatssozialismus wurde durch das Studium von Marx‘ Schriften noch verstärkt. Ähnlich erging es Ernst Bloch. Der bekannteste marxistische Philosoph der DDR erhielt 1961 Publikations- und Lehrverbot, da seine ethisch-moralischen Gedanken über den Marxismus der Einheitspartei nicht passten. „Marxist*innen stehen nicht (wie der autoritäre Kommunismus) für Macht, sondern für Wissen und Solidarität“, mahnte Haug.

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