Rosalux History: Die Studentenbewegung

21. Mai 2023  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Demonstration gegen die Notstandsgesetze in Bonn, 11. Mai 1968 (Foto: ImageBROKER/Klaus Rose)

Protest gegen alte NS-Seilschaften in der jungen Bundesrepublik und einen antiautoritären Gegenentwurf zur bestehenden Gesellschaft waren Kernthemen der 68er-Generation. Der Geschichtspodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung widmete sich in seiner 22. Folge der Geschichte der Studentenbewegung.

BRD: Kaufe und schweige

Die Adenauer-Republik war aufgebaut auf Konsumismus, starren Rollenbildern und der Abmachung, über die Verstrickung in NS-Verbrechen Stillschweigen zu wahren. Dem widersetzt sich eine junge Generation des Sozialistisch-Demokratischen Studentenbunds (SDS), der seinen Mitgliedern eigentlich als Sprungbrett in eine Politik-Karriere in der SPD diente.

Doch 1958 wendet sich die sozialdemokratische Mutterpartei mit dem „Godesberger Programm“ vom Sozialismus ab und der Marktwirtschaft zu. Der SDS organisiert mit „Ungesühnte Nazijustiz“ eine Ausstellung, die auf die Rolle von Rechtswissenschaftlern im Nationalsozialismus aufmerksam macht. 1961 verfügt die SPD, alle SDS-Mitglieder aus der Partei auzuschließen.

SDS: Antiautoritäre Linke

Der SDS sieht sich der antiautoritären „Neuen Linken“ zugehörig, einer politische Strömung, die sich sowohl von der SPD wie auch von moskauhörigen Kommunist*innen distanziert. Ihre programmatischen Ansätze speisen sich aus Marxismus, Anarchismus sowie der Sozialphilosophie der Frankfurter Schule. Ihren Kampf gegen die autoritären Strukturen sehen sie mit Theodor W. Adorno begründet, demzufolge der Faschismus seinen Vorläufer in eben dieser Gesellschaftsform hat.

Protest gegen den Vietnamkrieg

Die Studierenden brechen mit den Normen der Gesellschaft, indem sie sich durch die Abschaffung von Privateigentum und -leben von deren Zwängen befreien. Sinnbild dieser Praxis wird die 1967 gegründete „Kommune 1“. Rudi Dutschke, der den Wehrdienst bei der NVA verweigerte und 1961 nach West-Berlin floh, war sowohl Mitglied des SDS Berlin als auch der „Subversiven Aktion“, die mit provokanten Auftritten das mediale Aufsehen auf sich zog. Um gegen den Vietnamkrieg und dort stattfindende Kriegsverbrechen zu protestieren, veranstaltete der SDS zahlreiche Demonstrationen sowie zwei große Vietnam-Kongresse.

Notstandsgesetze und APO

1966 kommt es zur Großen Koalition aus CDU und SPD, deren Abgeordnete somit eine Mehrheit von 90 Prozent im Bundestag besitzen. Damit sind Änderungen des Grundgesetzes, etwa die Einführung einer Notstandsgesetzgebung, ohne Zustimmung der Opposition, möglich. Die Notstandsgesetze erlauben bei Eintritt eines Krisenfalls die Einschränkung von Grundrechten sowie den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Als Reaktion darauf gründet sich die, zum großen Teil vom SDS getragene, Außerparlamentarische Opposition (APO).

„Unter den Talaren…“

Die Hochschulen können die große Zahl an Studierenden nicht versorgen, weswegen es zu überfüllten Hörsälen und miserablen Studienbedingungen kommt. Forderungen nach zeitgemäßen Lerninhalten, Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Professorenschaft, sozialer Chancengleichheit und einer Demokratisierung der Hochschule werden laut. In vielen Universitäten kann der SDS die Mehrheit in den Verfassten Studierendenschaften erringen und so eine linke Hegemonie etablieren.

Mord an Benno Ohnesorg

Am 2. Juni 1967 wird bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien der 26-jährige Germanistik-Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten per Kopfschuss von hinten ermordet. Ein rechtsextremer Arbeiter verübt am 11. April 1968 ein Attentat auf Rudi Dutschke, der schwerverletzt überlebt. Neben der antiautoritären APO entstehen durch die Moskau-treue DKP beeinflusste „Spartakus-Gruppen“ wie auch maoistisch geprägte „K-Gruppen“, welche die Politik der Sowjetunion als revisionistisch ablehnen. Mit Gudrun Ensslin und Andreas Baader und deren Brandanschlägen auf Berliner Kaufhäuser bildet sich ein linker Terrorismus heraus.

Gleichberechtigung ernst nehmen

Bei der SDS-Delegierten-Konferenz thematisiert Helge Sander die Befreiung der Frau an. Ihr zufolge würden Frauen im SDS ebenso ausgebeutet wie in Gewerkschaften oder dem Rest der Gesellschaft, so dass Männer ihre patriarchale Identität weiterhin wahren könnten. Ziel einer sozialistischen Bewegung müsse es sein, das Konkurrenzverhältnis zwischen Mann und Frau mittels der Umwandlung der Produktionsverhältnisse aufzuheben. Das Ziel laute Selbstbestimmung, Autonomie und Chancengleichheit für alle Menschen, unabhängig ihres Geschlechts.

1969 wird Willy Brandt (bürgerlicher Name: Werner Frahm) zum Bundeskanzler gewählt. Während des Nationalsozialismus organisierte er von Norwegen und Schweden aus die Exilarbeit der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) gegen das NS-Regime.

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