Rosalux-History: Jüdische Geschichte

29. November 2023  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Hochzeitszug in der Mainzer Judengasse, 1690 (Aquarell). Bild: Anton Maria Keim/Stadtarchiv Mainz

Von der christlichen Mehrheitsgesellschaft in Europa meist ausgegrenzt und verfolgt, stiegen in muslimischen Ländern Juden mitunter in höchste Regierungsämter auf. Die 25. Folge von Rosalux-History widmete sich der jüdischen Geschichte.

Stämme werden zu Israel

Geschah die Schöpfung der Welt gemäß der Tora im Jahr 3761 vor unserer Zeitrechnung, begann die Geschichte des Volkes Israels der Überlieferung gemäß im 15. Jahrhundert vuZ. Laut archäologischen Funden im damaligen Kanaan sollte man den mythologischen Auszug aus Ägypten jedoch eher auf das Ende des 13. Jahrhunderts datieren. Der einsetzende Niedergang der Bronzezeit führte dazu, dass das Reich der Hethiter ebenso verschwand wie die mykenische Kultur. Auch die Stadtstaaten der Levante wurden stark geschwächt. Eine These besagt, dass dies halbnomadischen Sippen ermöglichte, sich in der Region niederzulassen und so das Volk Israel aus vielen verschiedenen Stämmen entstand (mythologische „12 Stämme“).

Jahrhunderte der Fremdherrschaft

Der Überlieferung zufolge soll das Königreich Juda seine größte Ausdehnung durch die Eroberungen Davids erhalten haben, bis es danach in rivalisierende Dynastien zerfiel. Während das Nordreich Israel 721 von den Assyrern erobert wurde, fiel das Südreich Juda erst 586 durch die Babylonier, wo bei es auch zur Zerstörung des ersten Tempels in Jerusalem kam. In der Geschichtswissenschaft wird die biblische Darstellung des darauf folgenden Babylonischen Exils bezweifelt. Es kam zu persischer und unter Alexander dem Großen hellenistischer Herrschaft, bis mit dem Makkabäer-Aufstand 141 erneut ein eigenständiger jüdischer Staat entstand. 63 eroberte Gnaeus Pompeius die Region für Rom. Nach mehreren Aufständen verlor die Provinz Judäa ihre Unabhängigkeit, Jerusalem und der Tempel wurden zerstört.

Von Portugal bis China

Dies läutete die rabbinische Zeit an, in der Jüd*innen in der ganzen Welt verstreut, die Tora jedoch als „transportable Heimat“ im Gepäck mit sich nahmen. Über die Seidenstraße gelangten jüdische Gemeinden bis nach China, sie ließen sich aber auch im Sudan, Äthiopien oder im Römischen Reich nieder. Ein Dekret Kaiser Konstantins von 321 uZ. erwähnt jüdische Bürger*innen der Stadt Köln. Die christliche Kirche sah das Judentum als Irrlehre an, da dessen Gläubige nicht in Christus den Messias sahen. Die daraus resultierende Unterdrückung führte dazu, dass bis ins 17. Jahrhundert hinein der Großteil der jüdischen Bevölkerung in muslimischen Ländern lebte. So kam es in der Zeit der Taifa-Königreiche auf der Iberischen Halbinsel (hebr. Sepharad) zu einer Blüte jüdischer Kultur. Schmuel ha-Nagid stieg sogar zum Großwesir des Königreichs von Granada auf.

Ghettos und Pogrome

Am Rhein bildeten sich im 10. Jahrhundert in Mainz, Worms und Speyer große jüdische Gemeinden mit einflussreichen Gelehrtenschulen. Von den christlichen Nachbarn mitunter als „Gottesmörder“ verschrien, verfügten die Gemeinschaften meist über eine Synagoge, ein rituelles Bad (Mikwe), Friedhof, Armenhospital sowie koschere Bäcker- und Schlachtereien. Um den Kontakt zwischen den Religionsgruppen zu reduzieren, richteten Herrscher oftmals Ghettos für die jüdische Bevölkerung ein. Im Zuge des Ersten Kreuzzugs kam es im Rheinland 1096 zu exzessiven Pogromen. Im späten 13. Jahrhundert wurden die Jüd*innen aus England, im 14. Jahrhundert aus Südfrankreich vertrieben. Den Pestpogromen (348-1350) fielen rund 60 Prozent der jüdischen Gemeinden in West- und Mitteleuropa zum Opfer. Die Überlebenden flohen meist nach Polen-Litauen, wo ein neues Zentrum jüdischen Lebens entstand.

Wirtschaft und Aufklärung

In seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543) bezeichnete der Reformator Martin Luther Jüd*innen als „unsere Pestilenz und Unglück“ und forderte, ihre Synagogen und Wohnhäuser zu zerstören. Um die Wirtschaft im darniederliegenden Brandenburg voranzubringen, nahm der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm 1641 aus Österreich vertriebene Jüd*innen auf – allerdings nur wohlhabende, keine armen. In Preußen wurde Moses Mendelssohn (1729-1786) zum wichtigsten Wegbereiter der jüdischen Aufklärung, der Haskala, forderte die klare Trennung von Staat und Religion und übersetzte die Tora ins Deutsche.

Abgeordneter im Parlament

1819 kam es währen der „Hep-Hep-Unruhen“ in ganz Deutschland zu Ausschreitungen christlicher Handwerker und Kaufleute, die sich ihrer jüdischen Konkurrenten entledigen wollten. Mit der 1848er-Revolution erhielten jüdische Männer das erste Mal das Wahlrecht, der Hamburger Rechtsanwalt Gabriel Riesser wurde sogar als Abgeordneter in die Nationalversammlung gewählt. Nach der Niederschlagung der Revolution dauerte es bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871, bis die Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung gesetzlich festgelegt wurde. Dies führte zu einem sozialen Aufstieg, da viele jüdische Bürger akademische Berufe anstrebten sowie Geschäftsleute oder Industrielle wurden.

Den Sozialismus aufbauen

Viele Juden, etwa Ferdinand Lasalle, schlossen sich der Sozialdemokratie an, während die Mitglieder des jüdischen Frauenbunds die Rolle der Frau in der religiösen Gemeinschaft kritisierten. Für Moses Hess sollte der Zionismus als jüdische Nationalbewegung dazu dienen, in Israel ein sozialistische Wirtschaft aufzubauen, in deren Mittelpunkt die Kibbuzim stünden. Ein weiterer Vordenker des Zionismus war Theodor Herzl mit seinem Buch „Der Judenstaat“ (1896). Im Gegensatz dazu strebte der „Allgemeine jüdische Arbeiterbund in Litauen, Polen und Russland“ das jüdische Recht auf Selbstbestimmung innerhalb Europas, zusammen mit anderen marginalisierten Gruppen an.

Revolution und Shoah

Um 1900 entsteht im Russischen Zarenreich die fiktive Schrift „Die Protokolle der Weisen von Zion“, die angebliche Pläne von Juden zur Erringung der Weltherrschaft beschreibt. Darin werden Jüd*innen für Demokratie und Liberalismus, aber auch Kapitalismus und Sozialismus verantwortlich gemacht. Die Februarrevolution 1917 führte auch in Russland die Gleichberechtigung herbei, in der Sowjetunion erhielten Jüd*innen den Status einer eigenen Nationalität. In der Weimarer Republik waren zahlreiche Kulturschaffende wie Franz Kafka, Leo Feuchtwanger oder Kurt Tucholsky Juden. Die NS-Ideologie setzte sich die Vernichtung des Judentums zum Ziel. Heute bestehen außer in Israel große jüdische Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten, Kanada, Frankreich oder Argentinien. 1989 setzte sich die DDR für die Aufnahme jüdischer Kontingentflüchtlinge aus Sowjetrepubliken ein, die Bundesrepublik übernahm diese Praxis.

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