Wie scheinbar „verlorene“ Streiks zu besseren Bedingungen für künftige Generationen führen, darum ging es in der 21. Folge von Manypod. Der migrationspolitische Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit wilden Streiks.
Arbeitsverdichtung und Entlassung
Manch einer bezeichnet die Tage im August 1973 als den Beginn des proletarischen Widerstands, als „Gastarbeiter*innen“ aus der Türkei, Portugal oder Jugoslawien für gerechtere Arbeitsbedingungen kämpften. In den Kölner Ford-Werken waren zahlreichen Angestellten gekündigt worden, da diese der langen Fahrtwege in die Heimat wegen später aus dem Urlaub kamen. Die leeren Plätze am Fließband führten automatisch zur Arbeitsverdichtung der verbliebenen Belegschaft, was neben der schlechteren Bezahlung im Gegensatz zu deutschen Mitarbeiter*innen den Ausschlag für den spontanen Streik gab.
Gleiche Bezahlung für alle
Von den 30.000 Ford-Angestellten in Köln kamen rund 15.000 aus anderen Ländern, der Großteil von 10.000 vor allem aus der Türkei. Von den Werkswohnungen wurden sie mit Bussen zu den Montagehallen gefahren, so dass es kaum zu Kontakt mit der deutschen Belegschaft kam. Eine Hauptforderung der Protestierenden lautete „Eine DM für alle“ – also auch die nichtdeutschen Kräfte. In den sechs Tagen der Arbeitsniederlegung besetzten die Arbeiter*innen die Werkstore des Geländes, kauften gemeinsam Brot und Gemüse, 400 Menschen schliefen nachts zusammen neben den Fließbändern.
Polizei und Werkschutz
Doch der Betriebsrat wandte sich gegen den aus seiner Sicht „illegalen Streik“, die Gewerkschaft nannte die Demonstrierenden „Chaoten“. Am sechsten Tag kamen morgens um 5 Uhr Polizei und Werkschutz zusammen mit deutschen Arbeiter*innen auf das Firmengelände und verhafteten die Streikleitung. Die Entlassungen der Urlaubsreisenden bettete sich ein in die Wirtschaftsrezession, deren Folgen sich vor allem gegen Ausländer richtete. Das Reiserückkehrhilfegesetz sollte 1983/84 arbeitslose Ausländer dazu bewegen, sich wieder in ihre Heimatländer zu begeben.
Veränderungen kommen
Obwohl der Streik bei Ford 1973 von Polizei und Werkschutz niedergeschlagen wurde, kam es in der Folgezeit zu gravierenden Veränderungen. In den 90er Jahren waren rund 60 Prozent der migrantischen Arbeiter*innen gewerkschaftlich organisiert, bei VW war der Betriebsrat sowie das mittlere Management zu großen Teilen von den Nachfahren italienischer „Gastarbeiter*innen“ geprägt.
Damals und heute
Im September 2023 demonstrierten etwa 2500 Hafenarbeiter gegen die Beteiligung einer Schweizer Containerreederei an der Hafenlogistik. Sie fürchteten um ihre Arbeitsplätze. Auch bei Lieferdiensten wie Gorilla oder Lieferando wird zunehmend gestreikt, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Und blickt man auf die Näherinnen der Ford-Werke in Dagenham/London, mit Recht. Denn zwei Jahre nach ihrem Streik, bei dem sie gleiche Bezahlung für Frauen und Männer forderten, kam es 1970 zum Equal Pay Act.
Weiterführende Links:
- RLS (15.12.2023): Manypod #21: «Wenn der Damm bricht» – 50 Jahre wilde Streiks – https://www.rosalux.de/mediathek/media/element/2456
- Zinnecker, Florian (20.9.2023): Der Aufstand der Hafenarbeiter gegen den MSC-Deal – https://www.zeit.de/hamburg/2023-09/elbvertiefung-20-09-2023
- Die Linke SC-RH (12.11.2023): Gemeinsam Arbeitskämpfe gewinnen – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/gemeinsam-arbeitskaempfe-gewinnen/
- Die Linke SC-RH (24.10.2023): Migrantische Arbeitskämpfe und Solidarität – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/gesellschaft/migrantische-arbeitskaempfe-und-solidaritaet/