Linke Antworten auf die Krise

31. August 2023  Global
Geschrieben von Kreisverband

Reichsbanknote über eine Million Mark (Rutherfordium, Gemeinfrei)

Inflation, Militarisierung und soziale Ungleichheit – die großen Krisen des vergangenen Jahrhunderts und die Lehren zur Gegenwart waren Thema bei der Veranstaltung „Zeitenwenden? Multiple Krisen?“. Dabei beleuchteten verschiedene Wissenschaftler*innen die Jahre 1923, 1973 und 2023. Organisiert wurde dies von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Kampf gegen Gewerkschaften

„Es herrscht eine massive Kluft zwischen Kapital und Arbeit“, stellte Nicole Mayer-Ahuja, Arbeitssoziologin von der Georg-August-Universität Göttingen, fest. Weltweit liege gewerkschaftliche Organisationsgrad unter 10 Prozent und auch in Deutschland gebe es betriebsratsfreie Zonen, flächendeckende Tariflosigkeit und Kampf gegen gewerkschaftliches Engagement.

Soziale Ungleichheit

„Kapitalismus gründet sich auf Differenz und Konkurrenz“, beschrieb sie die Hintergründe. So spiegele sich die Fragmentierung der arbeitenden Klasse etwa darin, dass einzelne Gruppen gegeneinander ausgespielt würden – Stammbelegschaften werden abgesichert, während Leiharbeiter*innen in der Rezession abgemeldet werden. „Es gibt einen immer größeren Niedriglohnsektor, gleichzeitig steigt die Zahl der Millionär- und Milliardär*innen“, wies Mayer-Ahuja auf die ungleiche Verteilung der Gewinne hin. Ein Sonderhaushalt stelle dem Militär 100 Milliarden Euro zur Verfügung, die Rückkehr zur Schuldenbremse 2024 sorge hingegen für Kürzungen im Bereich Arbeit und Soziales, kritisierte sie.

Frontex statt Frieden

Die Politikwissenschaftlerin Birgit Mahnkopf vom Institute for International Political Economy Berlin griff dies auf. „Zeitenwende bedeutet die Militarisierung der europäischen Außenpolitik“, erläuterte sie. An den Außengrenzen der Europäischen Union sei nichts davon zu spüren, dass die Staatengemeinschaft für die Verkörperung der friedvollen Geisteshaltung den Friedensnobelpreis erhalten habe. Stattdessen werde versucht, sich mit technologischer Souveränität den Zugang zu Mineralien zur Produktion von Batterien zu sichern.

Ökologische Katastrophe

„1923 und 1973 waren ökonomische und politische Krisen“, verglich sie die Jahre von Inflation und Hitlerputsch,sowie der Ölkrise und der Abkehr von der Goldbindung des US-Dollars (Bretton-Woods-System) mit unserer Gegenwart. Jetzt befände man sich hingegen mitten in der ökologischen Katastrophe. „Wir befinden uns am Kipppunkt fast aller Erdsysteme“, erläuterte Mahnkopf die aktuelle Situation. So werde die globale Erderwärmung voraussichtlich bei 3 Grad anstatt der im Pariser Klimaprotokoll vereinbarten 1,5 Grad liegen. „Der Kapitalismus ist auf billige Energieträger und Rohstoffe angewiesen“, nannte sie eine Ursache.

Ist die Rente sicher?

Wie vor hundert Jahren stiegen Rüstungsausgaben und Inflation. Die materielle Sicherheit breiter Bevölkerungsteile gehe zurück, da in einer überalternden Gesellschaft die Rentenansprüche der Menschen nicht mehr gedeckt seien. Jedoch erfüllten die aktuellen Militärausgaben auch einen wirtschaftlichen Sinn, erläuterte die Wissenschaftlerin. „1973 veröffentlichte der belgische Marxist Ernest Mandel sein Werk ,Der Spätkapitalismus‘“, erklärte sie. Darin hatte der Professor der Politischen Ökonomie nachgewiesen, dass die US-amerikanische Aufrüstung nach 1945 der Absorption überschüssigem Kapitals sowie militärisch-technologischer Innovationen und damit dem Wachstum des Kapitals diente.

Arbeiter*innen haben Macht

Der Soziologe Oliver Nachtwey von der Universität Basel sah in den aktuellen Krisen hingegen Chancen für linke Interventionen. „Zum ersten Mal seit 20 Jahren herrscht eine massive Verknappung an Arbeitskräften“, erklärte er. Dadurch erhielten die Arbeiter*innen ökonomische Macht. Die Arbeitskämpfe des Pflegepersonals in Kliniken und Pflegeheimen seien viel partizipativer als etwa Tarifauseinandersetzungen der IG Metall. Darüber trügen sie auch einen stärkeren feministischen Charakter und seien häufig auch von Migrant*innen geprägt.

Dies spiegele auch die aktuelle Gesellschaft wieder. „Die Gleichberechtigung zwischen Geschlechtern, die Anerkennung von Menschen anderer Herkunft und verschiedener sexueller Orientierungen hat breite Akzeptanz gefunden“, lautete sein Fazit. Die Bevölkerung in der Bundesrepublik sei divers, auch wenn eine Minderheit um die AfD versuche, das Gegenteil zu suggerieren.

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