Der Iran zwischen Revolte und Atomprogramm

22. Mai 2023  International
Geschrieben von Kreisverband

Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung CC BY 3.0

Um die Proteste gegen das Regime im Iran sowie dessen Atomprogramm ging es bei der zweiten Folge von „dis:arm“, dem friedenspolitischen Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

„Frau, Leben, Freiheit“

Mina Khani, iranische Aktivistin in Berlin, kann sich noch gut an den 16. September 2022, dem Tag, als die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini nach der Festnahme durch die Sittenpolizei starb, erinnern. „Ich habe damals ein Interview gegeben und in dem Geschehen eine große Bedeutung gesehen“, erklärte sie. Der Tod Aminis hatte die andauerndsten Proteste der Bevölkerung seit Errichtung der Islamischen Republik 1979 zu Folge. Der Slogan der Proteste lautet „Frau, Leben, Freiheit“.

Kampf gegen eigene Bevölkerung

Doch die Demonstrationen, die vor allem von Frauen getragen werden, sind kein Einzelfall. „Seit dem Herrschaftsantritt Ajatollah Chomeini kommt es regelmäßig zu Protesten“, schilderte Khani den Unmut gegen die theokratische Regierung. Wichtige Faktoren der aktuellen Aktionen seien die Frauenbewegung, die Arbeiter*innenschaft sowie die kurdische Frage. Die Annäherung des Irans und Saudi-Arabiens bewertete sie kritisch. „Jetzt hat das Regime Ressourcen frei, um sich gegen die eigene Bevölkerung zu wenden“, warnte sie. Den westlichen Medien maß sie eine wichtige Rolle zu. „Sie müssen zeigen, was mit den Demonstrierenden im Iran passiert“, appellierte Khani.

Fabriken stehen still

Hamid Mohseni, der ebenfalls seit vielen Jahren bereits in Deutschland lebt, ging auf die Situation der Arbeiter*innen ein. „Im iranischen Teil Kurdistans wurde nach dem Tod Aminis ein Generalstreik ausgerufen, der sich auf andere Regionen des Landes ausweitete“, erklärte er. Momentan befänden sich rund 100 Fabriken im erdölverarbeitenden Sektor im Ausstand. Eine genaue innenpolitische Analyse sei schwierig, da der Iran einer „Black Box“ ähnele. „Wir wissen nicht, wer sich bei freien Wahlen durchsetzen würde“. Bei der Opposition im Exil gäbe es einerseits eine linke Strömung, aber auch eine monarchische Bewegung, die in Reza Pahlavi, dem designierten Kronprinz eine politische Führungsfigur sehe.

Der Iran und die Bombe

Gudrun Harrer, Redakteurin des österreichischen „Standards“, erläuterte das iranische Atomprogramm. 2015 hatte das Nuklear-Abkommen unter US-Präsident Barack Obama die Anreicherung von Uran auf 3,5 Prozent begrenzt. Sein Nachfolger Trump beendete die Vereinbarung und verhängte neue Sanktionen, der Iran setzte daraufhin die Zentrifugen erneut in Gang, so dass er 2022 über 60 Prozent angereichertes Uran verfüge. „Der Iran hat das Material für mindestens eine Atombombe“, konstatierte Harrer. Dieses werde vermutlich in unterirdischen Anlagen hergestellt, um so vor israelischen Luftschlägen geschützt zu sein.

Ein Ende der Kriege?

Sie ging auch auf das trilaterale Statement des Irans, Saudi-Arabiens und der Volksrepublik Chinas ein, das die Aufnahme diplomatischer Beziehungen der bisherigen Erzrivalen verkündete. So bestehe die Hoffnung, dass die Stellvertreterkriege zwischen den sunnitischen Saudis und den schiitischen Mullahs im Irak, aber auch Libanon, Syrien und dem Jemen endlich ein Ende fänden. „China hat das Geld, um den Umbau Saudi-Arabiens in eine postfossile Ära zu ermöglichen“, erklärte sie. Nun komme es darauf an, ob die Volksrepublik sich als Akteur im Nahen Osten beweisen könne.

Anschläge auf Frauen

Jan van Aken, einstiger UN-Biowaffeninspekteur und bis 2016 Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags (Die Linke) sprach die Giftanschläge gegen iranische Schülerinnen an, denen bisher 13.000 Mädchen zum Opfer fielen. „Das systematische und flächendeckende Vorgehen spricht dafür, dass die Täter in Verbindung mit dem Staatsapparat stehen“, erläuterte er. Wenn Familien aus Angst um die Gesundheit und das Leben der Kinder ihre Töchter nicht mehr in die Schulen schickten, könne dies zu einer ganzen Generation bildungsferner Frauen führen, warnte er.

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