Sorgezentren in Barcelona und Chile

06. April 2023  International
Geschrieben von Kreisverband

Bürgermeisterin Irací Hassler bei ihrer Amtsübergabe mit einem grünen pañuelo, dem Symbol der feministischen Bewegung. (CC BY-NC 2.0, Renato Pizarro)

Wohnortnahe Sozial-Dienstleistungen in Spanien und die Förderung einer inklusiven Gesellschaft in Chile waren Thema bei der Diskussion zu Sorgezentren. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Konferenz „Sorgende Städte Kommunale Strategien für feministisches Vergesellschaften“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen statt.

Barcelona: Die sorgenden Viertel

„Alle Dienstleistungen sollen für jede*n im Viertel schnell erreichbar sein“, skizzierte Lucía Morale das Konzept der „Vila Veina“. Sogenannte „Super-Care-Blöcke“, Bezirke von etwa 30.000 Einwohner*innen, müssten den Bedürfnissen der Menschen angepasst werden, erläuterte die Büroleiterin von Laura Perez, Barcelonas Bürgermeisterin für Feminismus. Mit Haustürgesprächen und Bürger*innen-Befragungen wolle man in jedem Viertel die individuellen Anforderungen ermitteln.

Orte für Gemeinschaft schaffen

Die Kommune schaffe Orte für Großeltern und Enkel, beuge mit einem auf Beziehungsarbeit setzenden Unterstützungsnetzwerk der Vereinsamung älterer Menschen vor oder initiiere Gesundheitsspaziergänge. „Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen, die in der Intensivpflege arbeiten, auch Raum zur Selbstpflege erhalten“, wies Morale auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die in bezahlter Sorgearbeit Beschäftigten hin. Über tausend Menschen hätten die Angebote schon wahrgenommen, 82 Prozent davon Frauen, verdeutlichte sie die weibliche Komponente der Care-Arbeit.

Geschlechterungerechtigkeit bekämpfen

Hier versuche die Stadtverwaltung ebenfalls anzusetzen. Ein Programm für Geschlechtergerechtigkeit habe das Ziel, die strukturellen Abhängigkeiten in der Gesellschaft offenzulegen und für eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit zu sorgen. „Bis jetzt wird Sorgearbeit fast ausschließlich von Frauen, viele von ihnen mit Migrationshintergrund und in prekären Arbeitsverhältnissen lebend, geleistet“, sprach Morale die bestehenden Missverhältnisse an.

Jung, kommunistisch, Bürgermeisterin

In Chile sind die Umstände hingegen anders. Zwar habe der linke Präsident Gabriel Boric den Aufbau eines nationalen Care-Systems in sein Regierungsprogramm aufgenommen, doch seien die finanziellen Mittel der einzelnen Kommunen sehr begrenzt, erläuterte Rosario Olivares. Doch gäbe es in der Hauptstadt eine Besonderheit, sagte die Koordinatorin des kommunalen Care-Plans von Santiago de Chile. „Die kommunistische Bürgermeisterin Iraci Hassler hat den Bau eines Sorgezentrums zum Hauptpunkt ihrer Arbeit gemacht“, erklärte Olivares die Agenda der 31-jährigen Kommunalpolitikerin.

Respekt und Gehalt für Arbeit

„Unbezahlte Care-Arbeit macht 25 Prozent des chilenischen Bruttoinlandsprodukt aus“, erläuterte sie die Dimensionen. Viele Frauen rund um die Uhr mit Sorgearbeit beschäftigt und hätten keine Möglichkeit, sich in ihrer Freizeit zu erholen. „Wir wollen den Menschen vor Ort zeigen, dass Sorgearbeit mit Anerkennung und Rechten verbunden ist“, sprach Olivares die Ziele des Care-Plans an. Dabei konzentriere man sich auf die abseits der Regierungs- und Wirtschaftsviertel gelegenen Gebiete, in denen meist ältere Menschen mit erhöhtem Pflegebedarf lebten.

Das Haus der Gleichberechtigung

Ein Teil des Plans ist das „Haus der Gleichberechtigung“. Dort werden Angebote für LGBTQ*s, Migrant*innen, indigene Menschen sowie Menschen mit Beeinträchtigungen gemacht, um möglichst viele marginalisierte Gruppen an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. „Wir helfen Migrant*innen, die keine reguläre Arbeit haben, sich zu Pflegekräften ausbilden zu lassen“, nannte Olivares ein Beispiel. Darüber hinaus gäbe es Veranstaltungen zu Kochen, Kunsthandwerk oder auch Schminken, um so Menschen den Zugang zu einer Erwerbsarbeit zu erleichtern. Ebenso die Care-Brigade. Dabei handelt es sich um Frauen, die ältere Menschen bei Arztbesuchen oder im Haushalt unterstützen und dafür als Halb- oder Vollzeitstelle bezahlt werden.

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