Friede und Sicherheit in Europa

07. August 2023  Politik
Geschrieben von Redaktion

Martin Schirdewan auf dem Erfurter Parteitag im Juni 2022 (Martin Heinlein – https://www.flickr.com/photos/die_linke/52172484264/, CC BY 2.0)

Linke Antworten auf den russischen Überfall auf die Ukraine und die Option eines Europas jenseits der Blockkonfrontation waren Thema bei der Veranstaltung „Sicherheit in Europa“. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) organisiert.

Selbstverständnis gerät ins Wanken

Wie umgehen mit der russischen Invasion der Ukraine? Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Linken, skizzierte mehrere Möglichkeiten. „Ein Genosse sagte zu mir, nach dem 24. Februar 2022 könne er sich nicht mehr als Pazifist bezeichnen“, veranschaulichte Schirdewan die Folgen, die der russische Angriffskrieg für das linke Selbstverständnis hatte. Doch sehe er trotz der globalen Aufrüstungswelle die Schwerpunkte politischen Handelns jenseits der militärischen Gewalt.

Menschen statt Machtblöcke

„Unsere Bündnispartner sind soziale Bewegungen in der Zivilgesellschaft und keine Nationalstaaten oder Militärbündnisse“, verdeutlichte er den Anspruch eines linken Internationalismus. Denn die trennenden Grenzen verliefen nicht an nationalen Schlagbäumen, sondern zwischen den Klassen in der Gesellschaft. Auch müssten Alternativen zur militärischen Logik mehr in den Vordergrund treten. Durch konsequente Sanktionen gegen Oligarchen könnten diese etwa zum Einlenken gezwungen werden. „Die deutsche Justiz kann nicht sagen, welche Villa am Starnberger See oder welche Yacht im Hamburger Hafen einem putinfreundlichen Oligarchen gehört“, kritisierte er.

Zivile Konfliktlösung

Darüber hinaus bedürfe es einer solidarischen Wirtschaftspolitik, die sich der Bekämpfung von Fluchtursachen – nicht der Flüchtlinge – widme. Auch müsse die Außenpolitik demokratische Prozesse weltweit fördern – und sich nicht Autokratien verschreiben, wenn dies geostrategisch nützlich erscheint. „Die Europäische Union sollte auf weltweite Abrüstung und zivile Konfliktlösung hinwirken“, forderte Schirdewan. Neben der Rückkehr der Bundeswehr zur Verteidigungsarmee brauche es auch einen sozial-ökologischen Marshallplan, mit dem man Russland nach Beendigung des Krieges in die Staatengemeinschaft einbinde.

Wirtschaftlicher Wandel?

Als eine Option nannte er eine OSZE 2.0, deren wirtschaftliches Projekt darin bestehen könne, Russland als bisherigen Öl- und Gasexporteur den Weg aus dem fossilen Kapitalismus zu erleichtern. „Mit entsprechendem Technologietransfer kann man den ökologischen Wandel gestalten und die soziale Ungleichheit in Russland verringern“, nannte der Co-Vorsitzende Vorteile solch einer Idee. Voraussetzung dafür seien jedoch die strafrechtliche Verfolgung begangener Kriegsverbrechen und der Wiederaufbau zerstörter Gebiete.

Nachhaltige Oligarchen?

Jan van Aken, Referent für internationale Krisen und Konflikte der RLS bekräftigte diesen Vorschlag. „Wladimir Potanin hat den Großteil seines Vermögens mit dem Abbau von Kobalt, Nickel und Kupfer für die Batterieproduktion gemacht“, sagte er mit Blick auf den früheren stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten und 28fachen Milliardär. Es läge nahe, dass solche Oligarchen der Abkehr vom fossilen Raubbau positiv gegenüberständen.

Nichtangriffsfähigkeit ermöglichen

Darüber hinaus nannte er ein gelungenes Beispiel einer „Strukturellen Nichtangriffsfähigkeit“. Anfang der 70er Jahre sollte die Bundeswehr auf 500.000 Mann aufgestockt werden, worin die Vertreter der Sowjetunion jedoch eine Gefahr ihrer Sicherheitsinteressen sahen. Der Kompromiss lief darauf hinaus, dass man bei der Aufstockung gleichzeitig die Brückenlege-Kompanien auflöste. So konnten die russischen Militärs sicher sein, dass bei einem möglichen Angriff auf den Ostblock für die Bundeswehr schon beim ersten gesprengten Flussübergang Schluss war. Dieses Denkmodell gelte es nun auch, bei den europäischen Streitkräften umzusetzen.

Europäische Verteidigungsarmee

„Die europäischen NATO-Partner haben 2,5 mal so hohe Militärausgaben wie die Russische Föderation“, wies an Aken auf die nationalen Haushalte hin. Nähme man dieses Potential in Verbindung mit dem Paragraf 42,7 der Römischen Verträge, der eine Beistandspflicht der jeweiligen Staaten beinhalte, könne so eine als reine Verteidigungsarmee konzipierte Alternative zur NATO oder einer EU-Armee entstehen.

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