Landtagswahl: Präventivhaft und Migrationspolitik

20. September 2023  Unkategoisiert
Geschrieben von Kreisverband

Anlässlich der bayerischen Landtagswahl (8. Oktober) kamen in Schwabach Vertreter*innen von sechs Parteien (Die Linke, FDP, Grüne, Freie Wähler, SPD, CSU) zu Wort. Geladen hatte Amnesty International, der Integrationsrat und die Initiative für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.

Mehr Demokratie wagen

In Sachen Politische Bildung sah Felix Heym (Die Linke) ein strukturelles Problem im Schulsystem. „Im Gymnasium hat man noch Zeit, um das im Unterricht zu behandeln“, sagte er. Doch falle die Demokratie-Bildung in der Mittelschule oftmals unter den Tisch. Deshalb spreche er sich für eine Gemeinschaftsschule aus, die allen Kindern die gleichen Chance biete. „Nicht der Leistungsdruck ist wichtig, sondern die Jugendlichen zu kritischen Menschen zu machen. „Die jungen Leute müssen das Gefühl von Teilnahme und Selbstwirksamkeit erfahren“, sprach sich der Grafikdesigner für mehr Schüler*innenprojekte im Unterricht aus. Ebenfalls plädierte er für das generelle Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre.

Umweltschutz ist kein Terrorismus

Kritisch äußerte er sich auch zur bayerischen Präventivhaft und zu rechten Chatgruppen bei der Polizei. „Anfangs ging es der CSU um das Einsperren von Terrorist*innen“, rief Heym in Erinnerung. Mittlerweile seien das ausgesuchte Ziel der Behörden Klimaprotestler*innen. Doch gegen wen auch immer sich die Maßnahmen richteten – „Menschen präventiv in Haft zu nehmen, geht gar nicht!“ Bei einer Frage zu rechten Strukturen in den Sicherheitsbehörden gibt er sich ebenfalls nachdenklich. „Eine Studie zu Rechtsextremismus in der Polizei wurde noch unter Innenminister Horst Seehofer abgelehnt“. Wichtig seien jedoch unabhängige Stellen, an die man rechtsextreme Vorfälle melden könne.

Anker-Zentren abschaffen

Lobende Worte fand der Linken-Politiker hingegen für die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge. „Hier wurden erfolgreiche Maßnahmen angewandt“, sagte er mit Bezug auf die Freizügigkeit und die Integration in den Arbeitsmarkt. Dies solle jedoch für alle Flüchtlinge, nicht nur für die einer bestimmten Nationalität, gelten. Die bisher praktizierten Gängelungen basierten auf der Behauptung, Einzelne würden das System ausnutzen wollen. „Anker-Zentren müssen abgeschafft werden“, lautete sein Fazit. Kritik äußerte er auch gegenüber den Nürnberger Stadtratsfraktionen von SPD und Grünen. „Sie lehnten den kommunalen Antrag für Tariftreue ab, weil das zu teuer sei“, erläuterte er. Die Linke wolle dies nicht nur auf Landes-, sondern auch auf kommunaler Ebene durchsetzen.

Schulstreik bedeutet Demokratie

Eser Polat (FDP) wies auf die Chancen, aber auch Gefahren des politischen Diskurses hin. Dass tausende junge Menschen wegen ihrer Forderungen für mehr Klimaschutz auf die Straße gingen, sei ein gutes Zeichen, erklärte der aus einer alevitischen Gastarbeiter*innenfamilie stammende Rechtsanwalt. Auch könne man mit Bürger*innenbegehren direktdemokratische Maßnahmen nutzen. Sorge bereiteten ihm jedoch die gesellschaftliche Polarisierung, in der nur „linksgrünversifft“ und „rechte Nazis“ existierten. „Wir müssen in der Schule mit Rede und Gegenrede Toleranz lernen“, forderte er. Darüber hinaus machte er sich auch für Wahlen ab 16 Jahren stark.

Kritik an Söder

Da Wiederholungstaten bei der Höhe des Strafmaß‘ berücksichtigt würden, brauche es keine Präventivhaft, selbst wenn Aktivist*innen nach dem Verlassen des Gerichtsgebäudes ankündigten, erneut Sitzblockaden durchzuführen. Stattdessen müsse die Regierung ganz woanders aktiv werden. „Die ,Grauen Wölfe‘ sind die größte rechtsextreme Gruppe in Deutschland“, erklärte er. Doch sei die „Ülkücü“-Bewegung keineswegs verboten. Vielmehr treffe sich Ministerpräsident Markus Söder mit Vertreter*innen der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) und mit Sympathisant*innen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. „Wir dürfen auch bei ausländischem Rechtsextremismus nicht blind sein“, mahnte er.

Liberaler für Tariftreue

In Konfrontation zu seiner Partei ging Polat, als es um das Faire-Löhne-Gesetz ging, demzufolge öffentliche Aufträge und staatliche Förderungen nur an tarifgebundene Unternehmen gehen sollten. Er habe Sympathien für ein Tariftreuegesetz, gestand der FDP-Politiker – auch wenn seine Partei dagegen sei. „Liberalismus ist aber mehr als das, was die Parteispitze sagt“, erklärte er. Differenzierung forderte er auch hinsichtlich der Migration. So müsse man zwischen der Genfer Flüchtlingskonvention, Bürgerkriegsflüchtlingen, Migration im Sinne der Arbeitszuwanderung und „Sonstigen“ unterscheiden. Aufgabe der Politik sei es, zu klären, wer welcher Kategorie angehöre.

Mitbestimmung erlebbar machen

Schule müsse mit Jugendlichen in einen offenen Diskurs gehen, forderte Klaus Neunhoeffer (Bündnis 90/Grüne) und selbst ehemaliger Schuldirektor. Eine Möglichkeit seien Jahrgangskonferenzen, in denen die jungen Menschen selbst ihre Ideen in den Schulalltag einbringen könnten. Kritisch äußerte sich Neunhoeffer dazu, dass der Oberstudienrat Björn Höcke (AfD) trotz seiner rechtsextremen Einstellungen immer noch im thüringischen Staatsdienst stehe.

Dezentrale Unterbringung wichtig

Integraler Bestandteil für Integration sei für ihn die Sprache. „Wir müssen lernen, viel differenzierter über Migration, Flucht oder Asylbewerbung zu sprechen“, forderte er. Diese unterschiedlichen Begriffe würden oftmals vermischt werden. Auch brauche es ausreichend finanzielle Mittel für Sprachkurse, dezentrale Unterbringung und eine gute Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft. Bei einem Vergabe- und Tariftreuegesetz seien die Grünen sofort dabei, erklärte er.

Bürgergeld für alle

Für Alexander Schmidt (Freie Wähler) war es klar, dass einzelne Flüchtlingsgruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften. „Alle Menschen haben die gleichen Bedürfnisse, die gedeckt werden müssen“, sagte der Leiter einer kommunalen Bildungseinrichtung. Bürgergeld und Freizügigkeit müssten im Zuge dessen auf andere Gruppen – nicht nur ukrainische Kriegsflüchtlinge – ausgeweitet werden. Auch dürften Ehrenamtliche bei ihrem Engagement vom Staat nicht alleine gelassen werden, mahnte er an.

Verhandlung statt Gesetz

Die Tarifparteien müssten gute Verträge aushandeln, damit auch Reinigungskräfte genügend verdienten, meinte er mit Blick auf die aktuelle Inflation. „Wie sollen die Mehrkosten finanziert werden“, fragte Schmidt jedoch hinsichtlich eines Tariftreuegesetzes, das zu kommunalen Mehrausgaben führen würde. Differenziert war seine Haltung auch bei dem Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre. Während er dies bei Kommunalwahlen befürwortete, sprach er sich bei Landtags- und Bundestagswahlen für die aktuell geltende Regelung ab 18 Jahren aus.

Wählen schon ab 14?

Für Claudia Arabackyi (SPD) stand die hierarchisch aufgebaute Schule ohne echte Mitbestimmung der erlebten Demokratiebildung entgegen. Diese könne nur durch Initiative einzelner Lehrkräfte erfolgen. Schwierig seien gleichfalls die hierarchischen Strukturen bei Polizei und Militär. „Man muss das Problem klar benennen“, forderte sie in Bezug auf rechtsextreme Vorfälle. Präventivhaft lehnte sie absolut ab. Mit Blick auf die Bundesebene machte sie jedoch Hoffnung auf ein bald kommendes Tariftreuegesetz und erläuterte, dass der Bayerische Jugendring das Wahlalter sogar auf 14 Jahre absenken wolle.

„Präventivhaft ist nötig“

Tim Volkmann (CSU) erinnerte sich an seine Schulzeit, in der er in der Realschule nur eine Stunde Sozialkunde gehabt hätte. „Politik gab es gar nicht“, erklärte der 20-Jährige. Auch müsse der Unterricht näher an der Lebenswelt der Schüler*innen sein, hob er hervor. Kritik äußerte er auch zur Flüchtlingspolitik. „Flüchtlinge sollte nicht in 1. und 2. Klasse eingeteilt werden“, sagte er bezüglich geltender Arbeitseinschränkungen für nichtunkrainische Menschen. Die Präventivhaft gegen „Klimakleber*innen“ verteidigte er jedoch. „So etwas ist nötig“, erklärte der Jungpolitiker bezüglich angekündigter Wiederholungstaten der Umweltaktivist*innen. Einer Absenkung des Wahlalters auf Bundes- und Landesebene widersprach Volkmann.

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