Arbeitsmigration in Europa

02. Juni 2024  Europa
Geschrieben von Kreisverband

Streik-Transparent an einem Gorillas-Warenlager, Berlin-Mitte (FAU Berlin – Instagram.com, CC BY 4.0)

Die katastrophalen Arbeitsbedingungen von illegal Beschäftigten aus Dritt- und prekär arbeitenden Menschen aus EU-Staaten war Thema bei der Diskussionsrunde „Harte Arbeit in der Festung Europa“. Die Veranstaltung wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

Ausbeutung und Kapital

„Der Kapitalismus beruht darauf, dass Kapitalbesitzer*innen in Konkurrenz zueinander den größtmöglichen Gewinn erzielen“, stellte Jörg Cezanne fest. Dieses Ziel werde notfalls auch auf dem Rücken der Beschäftigten verfolgt. In dieser Hinsicht herrsche in der EU ein Ungleichgewicht, erläuterte das Bundestagsmitglied (Die Linke). So wolle die Wirtschaftsunion die Verwertungsbedingungen für das Kapital verbessern, allerdings würde kaum auf soziale Gleichheit geachtet, so dass auch heute noch Menschen in der EU ausgebeutet würden, kritisierte er. „Ein Betriebsrat bei Amazon schätze, dass in seinem Hamburger Betrieb 90 Prozent der 2.300 Beschäftigten aus Drittstaaten ein unsicheres Aufenthaltsverhältnis haben“, erläuterte er.

Mindestlohn und Tarif

Die Linke steht auf der Seite der abhängig Beschäftigten und gibt denen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden. Die europäische Mindestlohn-Richtlinie sieht vor, dass der geringste Lohn 60 Prozent des mittleren Gehalts betragen müsse. „Das sind in Deutschland 14,12 Euro“, erklärte Cezanne, der auch im Wirtschaftsausschuss sitzt. Ebenfalls fordere die EU einen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung in den Ländern, in denen weniger als 80 Prozent der Unternehmen der Tarifbindung unterliegen. „In der Bundesrepublik sind es gerade einmal 50 Prozent“, sagte der Soziologe trocken.

Prekäre Beschäftigung in Europa

„Es wird weit unter dem Mindestlohn gezahlt, Überstunden werden nicht vergütet und es kommt häufig zu ungerechtfertigten Abzügen“, skizzierte Anna Weirich von Faire Mobilität des DGB Merkmale prekärer Beschäftigung. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanzierte Beratungsstelle richtet sich an mobile Beschäftigte (Arbeitsmigrant*innen) aus EU-Staaten, wobei die Koordinatorin für internationalen Straßentransport Hilfesuchende auf Rumänisch oder Russisch berät. Denn oftmals würden den ausländischen Fahrer*innen Verträge in vollendetem Bürokratiedeutsch zur Unterschrift vorgelegt. Weitere Bereiche seien die Baubranche, saisonale Erntehelfer*innen, Beschäftigte in der Fleischindustrie oder der 24-Stunden-Pflege, aber auch Paket-Lieferant*innen.

Abhängigkeit vom Arbeitgeber

Leiharbeiter*innen erhielten vom Arbeitgeber oftmals die Unterkunft gestellt, was neben überhöhten Mieten im Falle eines Konflikts auch die Kündigung des Zimmers nach sich ziehen könne, beleuchtete sie die doppelte Abhängigkeit Beschäftigter. „Bei Lkw-Fahrer*innen werden häufig die Fahrzeiten kontrolliert, aber nie, ob sie denn auch den Mindestlohn ausgezahlt bekommen“, nannte Weirich ein weiteres problematisches Beispiel. Wünschenswert sei, dass die Beratungsangebote auch in anderen EU-Ländern, etwa Österreich, Kroatien, Slowenien, Serbien, Ungarn oder Polen, stattfinden würden.

Abschiebung droht

Natalie Maurer, Doktorandin in Unionsrecht und europäischem Migrationsrecht, erläuterte, dass Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht beschäftigt werden dürften. Bei Menschen im Asylverfahren, die über eine Aufenthaltserlaubnis verfügten, sei dies in den ersten sechs Monaten ebenfalls der Fall. „Bei der Feststellung einer illegalen Beschäftigung wird automatisch die Ausländerbehörde informiert, so dass dann die Abschiebung droht“, skizzierte sie Situation.

Eine Klassengesellschaft

Auch seien abschiebbare Menschen besonders abhängig von ihrem Arbeitgeber und würden die ihnen zustehenden Rechte aus Angst nur selten durchsetzen. „Hochqualifizierte Wissenschaftler*innen sind mobil und können sich ihre Arbeit frei wählen, bei ungelernten Saisonarbeiter*innen ist das nicht der Fall“, wies sie auf sozioökonomische Barrieren hin. Hier müsse die Europäische Union noch viel tun. Denn: „Die internationalen Standards der UN liegen weit über denen der EU“, stellte Maurer fest.

Weiterführende Links:

« zurück