Das Potenzial, aber auch die Grenzen von Räten standen im Mittelpunkt einer Diskussion. Das Podiumsgespräch war Teil der Veranstaltung „Europa den Räten“, die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert wurde.
Bürger*innenräte für Abtreibung
Welche Wirkung Räte haben können, erläuterte Carola Rackete am Beispiel Irlands. In dem konservativ-katholischen Land hatte sich solch ein Bürger*innenrat für die Straffreiheit von Abtreibung ausgesprochen – ein landesweites Referendum bestätigte diese Sichtweise. „Ein neuer Rat beschäftigt sich mit Biodiversität und will eine Well-Being-Ökonomie anstatt des herrschenden Bruttoinlandsprodukt“, beschrieb die EU-Kandidatin der Linken das aktuelle Geschehen auf der grünen Insel. Doch glaube sie nicht, dass die Kapitalinteressen solch einem wirtschaftlichem Wechsel zustimmen würden.
Räte für neue Verfassung
In Chile sei es 2019 zu massiven Protesten gegen den dort praktizierten Neoliberalismus gekommen, sagte sie. „Selbst Wasser ist dort privatisiert.“ Von den 17 Millionen Chilen*innen waren rund zwei Millionen auf der Straße. Daraus entstand die Arbeit an einer fortschrittlichen Verfassung, die größtenteils in Räten erfolgte. „Wegen der konzernfinanzierten Propaganda wurde die Gesetzesänderung abgelehnt“, skizzierte Rackete das Handeln der reaktionären Kräfte.
Parlament und Lobbyismus
Probleme diagnostizierte die frühere Seenotretterin auch in Brüssel, wo es 25.000 registrierte Lobbyist*innen gäbe. Das demokratisch gewählte EU-Parlament habe häufiger weniger Mitspracherecht als die -Kommission oder der -Rat, schilderte sie ihre Eindrücke. „Gute Entscheidungen des Parlaments werden deshalb regelmäßig blockiert“, kritisierte sie. Eigentlich müsste das Parlament massiv gestärkt werden. Rackete wies auf die Schwierigkeiten hin, die europäische Entscheidungen in einer globalisierten Welt hätten. „In einem europäischer Rat zu Landwirtschaftsfragen müssten auch Vertreter*innen aus Brasilien oder Indonesien sein, da wir Güter von dort beziehen“, verdeutlichte sie die Größendimensionen.
Parteispende und Korruption
„Im Kapitalismus wird wirtschaftliche Macht vererbt“, erklärte Didem Aydurmus, Sprecherrätin der Ökologischen Plattform Die Linke mit Blick auf die Verflechtung von Wirtschaft und Politik. Denn das, was in Deutschland an Parteispenden unter dem Begriff „Lobbyismus“ laufe, würde andernorts schlichtweg „Korruption“ genannt. Wenn das Wirtschaftswachstum nicht den planetaren Grenzen angepasst würde, werde die Klimakatastrophe Realität, warnte sie. Da die deutsche Lebensmittelversorgung durch fünf Großkonzerne erfolge, wünsche sie sich eine Initiative „Aldi & Co. enteignen“.
Wohnkonzerne enteignen
Isabella Rogner, Aktivistin von „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sah in dem erfolgreichen Berliner Volksentscheid von 2021 einen guten Ansatz, wie partizipative Massenbewegungen aussehen könnten. Nach der direktdemokratischen Abstimmung sollten die Wohnkonzerne in öffentliche Unternehmen überführt werden, die auch nach einem Rätesystem strukturiert seien. „Die Partizipation der Bürger*innen wird mit Füßen getreten“, wandte sie mit Blick auf die bisher immer noch nicht erfolgte Umsetzung durch die Regierung von Berlin ein.
Weiterführende Links:
- RLS (20.12.2023): Keine Macht für niemand oder Alle Macht den Räten? – https://www.youtube.com/watch?v=e_HgyO5Vo1I
- DW enteignen (20.1.2023): Broschüre Gemeingut Wohnen. Vorschlag für AöR – https://dwenteignen.de/aktuelles/neuigkeiten/broschuere-gemeingut-wohnen
- Die Linke SC-RH (11.8.2022): Chile nach der Präsidentschaftswahl – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/international/chile-nach-der-praesidentschaftswahl/
- Aydurmus, Didem (2016): Democratic destruction or sustainable meritocraty