Schwarze Selbstorganisation in Deutschland

14. Oktober 2022  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Die Autorin und Aktivistin Katharina Oguntoye (Foto: stephan-roehl.de)

Schwarze Selbstorganisation in Deutschland hat ihre Wurzeln in den 80ern, wirke jedoch bis heute durch die UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft (2015) oder den Koalitionsvertrag der Bundesregierung (2021), der die Aufarbeitung des Kolonialismus beinhalte. Dies erklärte die SPD-Politikerin Karen Taylor bei der Konferenz „Black Europe: Die Anfänge Schwarzer Selbstorganisation in Europa“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

„Wir wollen wir selbst sein“

Eine der bekanntesten Initiator*innen für die Mobilisierung Schwarzer Menschen war die US-amerikanische Aktivistin Audre Lorde (1934-1992), die in den 80er Jahren in Deutschland war. „Wir wollen wir selbst sein – so, wie wir uns definieren. Wir sind keine Fragmente eurer Fantasie oder eurer Wünsche“, formulierte die Schriftstellerin ihr Anliegen. Auch heute sei ihr Einfluss bei Themen wie race vs. „Rasse“ oder critical whiteness bemerkbar, erläuterte Taylor.

Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland

Als weitere bekannte Persönlichkeiten Schwarzer Selbstorganisation gelten May Ayim und Katharina Oguntoye. Ayims Buch „Farbe bekennen“ (1986) stellte klar, dass Schwarzsein und Deutschsein kein Widerspruch darstelle. Ebenso prägte die aus Hamburg stammende Pädagogin den Begriff „Afrodeutsch“. Im Zuge dessen kam es zur Gründung verschiedener Organisationen, etwa der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland oder dem Verein Adrefra – Schwarze Frauen in Deutschland, erklärte Taylor. Tauschte man sich zuerst in privaten Wohnungen über gemeinsame Erfahrungen aus, wuchsen die Gruppen, so dass es 1986 zum ersten Treffen Schwarzer Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet kam.

„Es gibt mir das Gefühl, ich kann einfach ich selbst sein, muss keinen Erwartungen entsprechen, sondern kann ganz normal feiern, aber auch politisch sein“, beschrieb Taylor ihr erstes bundesweites Treffen, an dem sie Mitte der 2010er Jahre teilnahm. Den Ursprung der Bewegung legten queere Schwarze Frauen, die mit ihrer intersektionalen Perspektive zugleich die herrschende Mehrfachdiskriminierung (z.B. aufgrund der Hautfarbe, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung) thematisierten.

Politische Ansprechpartner*innen

Einen weiterer Aufschwung kam ab 2015 mit der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft. Sie führte dazu, dass sich der Zentralrat afrikanischer Gemeinden gemeinsam mit den vielen verschiedenen – meist in Berlin gegründeten – Gruppen, die Empowerment oder Entwicklungszusammenarbeit unterstützten, koordinierten. Die Absprachen und die einhergehende Professionalisierung führte dazu, dass neben der eigentlichen Arbeit innerhalb der Community auch politische Arbeit nach außen betrieben werden konnte. „In der deutschen Gesellschaft müssen Schwarze Menschen als Akteur*innen mitgedacht werden“, lautete eine der daraus resultierenden Forderungen Taylors.

Antirassistische Polizeiarbeit

Die Gruppen seien selbst Entscheidungsträger*innen, die etwa Rassismus in Deutschland aufzeigten, aber auch als Expert*innen Schulungen zur Polizeiarbeit durchführten. Ein weiteres Themenfeld sei auch die Unterstützung für Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine. Positiv sah Taylor, dass der Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Aufarbeitung deutscher Kolonialverbrechen beinhalte. Eine weitere Forderung sei die Erweiterung der Erinnerungskultur. So sollten etwa Straßen und Plätze, die einstige Kolonialverbrecher ehrten, umbenannt werden und stattdessen Lern- und Erinnerungsorte für die damals begangenen Taten eingerichtet werden.

Weiterführende Links:

« zurück