Wolfgang Abendroth: Sozialer Rechtsstaat

09. Dezember 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0

Die Bundesrepublik als Kompromiss zwischen Bourgeoisie und Proletariat, deren Verfassung aber das Potential zu einer sozialistischen Gesellschaft habe – so sah der Politikprofessor Wolfgang Abendroth Deutschland. Die 33. Folge des Theoriepodcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung beschäftigte sich mit seiner Schrift des „Sozialen Rechtsstaats“.

Rote Hilfe und KPD-Ausschluss

1905 in Wuppertal geboren, studierte er Rechtswissenschaften und arbeitete bis 1933 als Gerichtsreferendar. 1920 trat Abendroth der kommunistischen Jugendorganisation und später auch der KPD bei. In dieser Zeit war er in der Roten Hilfe aktiv und vertrat Genoss*innen vor Gericht. Wegen seiner Kritik an Stalins Sozialfaschismus-These wurde er allerdings aus der Partei ausgeschlossen. Stalins Behauptung geht davon aus, dass die Sozialdemokratie selbst faschistisch sei.

Gefängnis und Widerstand

Abendroth schloss sich der 1928 gegründeten Kommunistische Partei – Oppostion (KPO) an und trat für eine Volksfrontstrategie ein, die auch fortschrittliche bürgerliche Parteien in die Bündnispolitik miteinbeziehe. Nach einer ersten Verhaftung im April 1933 erhält er Berufsverbot, eine zweite Verhaftung 1937 endet mit vier Jahren Zuchthaus. Nach seiner dortigen Entlassung wird er zur Strafdivision 999 eingezogen, die nach Griechenland verlegt wird. Dort nimmt Abendroth Kontakt zur dortigen Widerstandsbewegung, der Volksbefreiungsarmee ELAS, auf. Im Oktober 1944 gerät er in britische Kriegsgefangenschaft.

Professur und SPD-Ausschluss

Nach seiner Rückkehr trat er in der sowjetischen Besatzungszone der SPD bei und widersetzte sich der Zwangsvereinigung zur SED. 1948 wurde er nach Wilhelmshaven berufen und wurde 1950 in Marburg Professor für Politikwissenschaft, wo er bis 1972 blieb. Wegen seiner Unterstützung des Sozialistisch-Demokratischen Studentenbunds SDS wurde er aus der SPD ausgeschlossen. Die Jugendorganisation hatte die Partei für das „Godesberger Programm“ (1959) kritisiert, das eine Abkehr vom Marxismus bedeutete.

Rechtsstaat und Sozialismus

Abendroths Ziel war es, durch marxistische Bildungsangebote klassenbewusste Kader heranzubilden, um mit ihrer Hilfe die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse zu überwinden. Die Bundesrepublik stelle einerseits einen Kompromiss zwischen der Bourgeoisie und dem lohnabhängigen Proletariat dar und verhindere den Klassenkampf. Andererseits gewährleiste der demokratisch und soziale Bundesstaat in der Verfassung auch grundlegende soziale Rechte. So könne der Staat durch den Enteignungsartikel etwa Einfluss auf die immanente Gerechtigkeit nehmen. Die Hessische Landesverfassung enthält in Artikel 41 beispielsweise die Möglichkeit zur Sozialisierung.

Enteignet die Oligarchie

Den oligarchischen Machtgruppen, die die Gesetzgebung und öffentliche Meinung zu ihren Interessen beeinflussten, setzte er den Gesetzgeber, beispielsweise durch systematische Enteignung, ein Gegengewicht entgegen. Dies sei allerdings nur möglich, wenn SPD und Gewerkschaften darauf hinarbeiteten. In der Außerparlamentarische Opposition (APO) sah Abendroth ebendiese Wiederbelegung des linken Diskurses. Durch Basisarbeit in Parteien und Gewerkschaften sollte so die Möglichkeit geschaffen werden, auf parlamentarischen Weg eine sozialistische Mehrheit zu gewinnen. Kurz vor seinem Tod 1985 solidarisierte er sich noch mit den streikenden Bergleuten in Großbritannien, die sich gegen den neoliberalen Sparkurs der Premierministerin Margaret Thatcher wehrten.

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