Der linke Philosoph Slavoj Žižek sieht Marx kritisch, kritisiert aber auch den Kapitalismus und China. Der sich als Hegelianer verstehende Slowene sprach im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) über sein philosophisches Denken.
Die Apokalyptischen Reiter
Der Kapitalismus sei wie ein Virus, der unsere Existenz bestimmte, erläuterte der Philosoph. Doch dieses System müsse sich zu einem sozialen Unternehmertum, verbunden mit einer umfassenden Gesundheitsvorsorge wandeln. Diese Veränderung sei dringend geboten. „Wir befinden uns jetzt in der Ära der vier Reiter der Apokalypse“, stellte Žižek fest. Während der erste Reiter die Corona-Pandemie darstelle, stehe der zweite für den Krieg. Der dritte sei der Hunger, der durch die globale Erwärmung vielerorts drohe. Der vierte Reiter versinnbildliche für ihn die digitale Vernetzung, die letztendlich zum Tod der Gedankenfreiheit führe, sagte er.
Die Veränderung der Welt
Marx‘ Vorstellung einer proletarischen Identität, die einem letzten Ziel zustrebe, war geprägt von einem großen Optimismus. „Die Revolution der Arbeiter*innenklasse bringt uns demnach in die einzigartige Lage, unsere Geschichte wie in einem offenen Buch lesen zu können“, skizzierte Žižek die damalige Sichtweise. Dieser Optimismus wurde mit dem Ersten Weltkrieg endgültig zerstört, wenig später führte der Stalinismus zu millionenfachem Terror und mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion proklamierte der Fukuyama-Moment das Ende der Geschichte. „Vielleicht wollten wir im 20. Jahrhundert die Welt zu schnell verändern“, nahm der Philosoph Bezug auf Marx‘ Feuerbach-These.
Hegel und die tolle Zukunft
Ein Konzept, sich mit den vielen tragischen Situationen der Weltgeschichte auszusöhnen, liefere seiner Meinung nach die Philosophie von Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Er hatte eine Zukunft vorhergesagt, welche die volle Freiheit sowie die gegenseitige Anerkennung aller bereithalte. Während Georg Lukács dies in Marx und seiner proletarischen Revolution erfüllt sah, plädierte Francis Fukuyama in „Das Ende der Geschichte“ (1989) für die liberalen Demokratien, um diesen Zustand zu erreichen.
Kapitalismus ohne Kapitalismus?
„Marx wollte einen Kapitalismus ohne Kapitalismus“, erläuterte Žižek. So sollte etwa der brutale Marktwettbewerb, der zu wenigen Reichen, aber Millionen Armen führte, abgeschafft werden. Die Produktivität und ständige technische Weiterentwicklung sollten jedoch beibehalten werden. Allerdings machte der slowenische Wissenschaftler in der als kommunistisch geltenden Volksrepublik China eben diese negativen Auswirkungen aus, die Marx abschaffen wollte.
Weiterführende Links:
- SRF (30.5.2022): Slavoj Žižek. Die Revolution und das Reale – https://www.youtube.com/watch?v=UUdD5ds1M8Q
- Die Linke SC-RH (5.3.2023): Georg Lukács. Geschichte und Klassenbewusstsein – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/georg-lukacs-geschichte-und-klassenbewusstsein/
- Die Linke SC-RH (19.3.2023): Chinas Weg zur Marktwirtschaft – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/international/chinas-weg-zur-marktwirtschaft/