Blauhelme: Frieden schaffen mit UNO-Waffen?

09. Oktober 2023  International
Geschrieben von Kreisverband

Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0

Die erfolgreiche Kontrolle von Waffenstillständen, aber auch katastrophale Kampfeinsätze von UN-Truppen waren Thema bei der sechsten Folge von „dis:arm“. Der friedenspolitische Podcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) beschäftigte sich mit der Geschichte der Blauhelme.

Unparteiische Beobachter

Ihren ersten Einsatz erlebten UN-Soldat*innen 1948 in Israel, als sie als unbewaffnete Beobachter den arabisch-israelischen Waffenstillstand kontrollieren sollten. Damit wurden laut Claudia Pfeifer Cruz vom Stockholmer Friedensinstitut SIPRI drei entscheidende Kriterien der weltweiten Einsätze festgelegt: die Zustimmung aller beteiligten Parteien, die Unparteilichkeit der UN-Truppen und der Einsatz von Gewalt nur als letztes Mittel der Selbstverteidigung.

Neutralität sichern

So einen „klassischen“ Einsatz kann man heute noch in Zypern sehen. 1974 besetzten türkische Streitkräfte den nördlichen Teil der Insel, während der Süden im Einflussbereich der griechischen Zypriot*innen verblieb. Seither verläuft eine 180 km lange demilitarisierte Pufferzone quer durch das Land, um ein Aufeinandertreffen der Konfliktparteien zu verhindern. UN-Truppen sorgen dafür, dass die neutrale Zone gewahrt wird. So dürfen dort zwar Fußballplätze gebaut, aber keine Militärgebäude der jeweiligen Armeen gebaut werden.

Robuste Mandate

Nach dem Ende des Kalten Krieges kam es jedoch zu einer Abkehr dieser konsensualen Strategie hin zu „robusten Mandaten“ – sprich: Kampfeinsätze. Denn die UN-Charta sieht zur „Wiederherstellung des Weltfriedens“ neben Diplomatie und Wirtschaftssanktionen auch den Einsatz von Streitkräften vor. Da es ab 1991 zu einer Vielzahl von Bürgerkriegen kam, in denen meist die nichtstaatlichen Akteure keine Zustimmung zu einer „klassischen“ Kontrolle durch UN-Soldat*innen gaben, traten die Truppen des Sicherheitsrates meist aufseiten der Regierung in die Kämpfe ein.

Von Mogadischu nach Srebrenica

„In Mogadischu wurden die UN-Truppen von der ursprünglichen Friedenserhaltung immer mehr in die die aktive Kampfbeteiligung hineingezogen“; erläuterte Pfeifer. Der UN-General von Bosnien erklärte, dass diese „Mogadischu-Linie“ im jugoslawischen Bürgerkrieg nicht überschritten würde – die niederländischen Blauhelme lieferten in Srebrenica 8.000 muslimische Zivilisten an das serbische Militär aus, das daraufhin das schwerste Kriegsverbrechen seit Ende des Zweiten Weltkriegs verübte.

Undemokratischer Sicherheitsrat

„Ich bin gegen jegliche robusten Einsätze, da die UN-Truppen dadurch zusammen mit einer Partei versuchen, den Krieg militärisch zu gewinnen“, sagte Jan van Aken, Referent für internationale Krisen und Konflikte der RLS. Problematisch sei, dass im UN-Sicherheitsrat die Großmächte USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien mit ihrem Veto über den Einsatz von UN-Truppen entscheiden würden. Die Soldat*innen selbst hingegen müssten meist ärmere Länder wie Äthiopien, Bangladesch oder Ruanda stellen. „Der Sicherheitsrat ist nicht demokratisch“, kritisierte van Aken.

Keine Besserung in Sicht

Beispielhaft sei, dass seit der MINUSMA-Mission in Mali (2014) keine robusten Mandate mehr beschlossen wurden. Sowohl diese als auch der Einsatz im Kongo würden bald beendet werden, da sie von der dortigen Bevölkerung als ein westliches Instrument wahrgenommen würden, erläuterte er. „Seit 10 Jahren hat sich nichts verändert“, bestätigte Aissata Soumaoro, Koordinatorin des Frauenkollektivs Musow Lafia in Mali. Trotz der Blauhelme käme es immer noch zu Angriffen islamistischer Gruppen.

Nur zivile Missionen?

Pfeifer sah die Zukunft der UN-Missionen abseits von gepanzerten Fahrzeugen und Schnellfeuergewehren. So könnten die Organisationen der Weltgemeinschaft staatliche Verwaltungsstrukturen aufbauen oder Hilfe für Flüchtlinge leisten. Kritisch wurde der UN-Einsatz in Haiti von 2004 bis 2017 gesehen, in dessen Verlauf es zu Vergewaltigungen durch Blauhelme aus Uruguay, Sri Lanka und Pakistan kam.

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