Die Kriege der Türkei

03. Februar 2024  International
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Eine expansive Militärpolitik und die Wiederauferstehung des Osmanischen Reiches sind Grundzüge der aktuellen türkischen Bemühungen. Die 10. Folge von dis:arm, des friedenspolitischen Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung, beschäftigte sich mit den Kriegen der Türkei.

Vormachtstellung durch Eroberung

Die Türkei verstehe sich als eine Hegemonialmacht in der Region, die vor keiner Militärintervention zurückschrecke, erklärte die Soziologin Rosa Burç. Beispielhaft dafür sei der Grundsatz des „blauen Vaterlandes“, der die Vorherrschaft im Mittelmeer bedeute wie auch die antikurdische Außenpolitik und die Doktrin des „Goldenen Apfels“. „Im Osmanischen Reich war das die schlagkräftigste Truppe der Armee“, erläuterte sie. Für türkische Nationalisten heute bedeute dies Gebiete, „die erobert werden“ müssten. So sprach etwa ein Soldat nach dem Einmarsch des türkischen Militärs ins kurdische Afrin, Ziel der Operation sei der „goldene Apfel“. Auch Erdoğan nutze diese Chiffre vermehrt in seinen Reden.

Militärstützpunkte im Nordirak

In Zusammenarbeit mit arabischen Kräften solle in Afrin eine türkische Vorherrschaft errichtet werden, analysierte Burç. So würden dort syrische und palästinensische Flüchtlinge angesiedelt und das Gebiet von der Türkei aus verwaltet. „Die Türkei hat unfassbar viele Militärbasen im Nordirak aufgebaut“, sagte die Wissenschaftlerin. Seinen Ursprung habe dies im Jahr 2001, als die AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) gegründet und der „Krieg gegen den Terror“ ausgerufen wurde. „Die AKP wollte eine sanfte Version des gemäßigten politischen Islams etablieren“, erläuterte sie. Möglich wurde dies durch die Stationierung zahlreicher US-Truppen in der Region. Allerdings kam es 2008 unter dem Militärabzug Barack Obamas zu einem Vakuum, das die Türkei mit ihrer Expansion füllte.

Autonomie soll zerstört werden

Die Besetzung Afrins, die 2018 durch das türkische Militär erfolgte, brachte verschlechterte Lebensbedingungen für die kurdische Bevölkerung mit sich, fasste Ruken Ahmed zusammen. Die Menschen, die einst in Afrin gelebt hatten, seien größtenteils geflohen und lebten in Lagern, erklärte die Sprecherin der demokratischen Frauenorganisation Kongra-Star in Nordostsyrien (Rojava). „In den besetzten Gebieten kommt es zu Entführungen, Vergewaltigungen und Morden“, zählte sie auf. Auch fänden Plünderungen und Enteignungen statt. „Ziel der Besatzung ist es, die autonome Selbstverwaltung zu zerstören“, hielt sie fest. Erdoğan wolle ein neues Osmanisches Reich, das vom kroatischen Krk bis zum syrischen Aleppo reiche. „Damit stellt die Türkei eine Gefahr für den gesamten Nahen Osten dar“, warnte Ahmed.

Drohnen und Gas-Deals

Rund 120.000 Armenier*innen seien im September 2023 nach dem Einmarsch aserbaidschanischer Truppen in Bergkarabach geflohen, erklärte Margarete Wohan, Redakteurin bei Deutschlandfunk Kultur. Der Sieg Aserbaidschans sei zu großen Teilen auf die Lieferung türkischer Drohnen zurückzuführen. Während die armenische Regierung mit den Flüchtlingen überfordert erscheine, herrsche in der Bevölkerung eine große Hilfsbereitschaft. „Armenien wünscht sich die Unterstützung der Europäischen Union, da es sich von der Türkei, dem Iran und Aserbaidschan umgeben sieht“, beschrieb Wohan die politische Situation mit den autokratischen Nachbarstaaten. Doch hatte Ursula von der Leyen als Präsidentin der Europäischen Kommission erst kürzlich im Namen der EU Gasgeschäfte mit Aserbaidschan geschlossen und das Land als einen „verlässlichen Partner“ klassifiziert.

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