Linke Friedenspolitik

06. Dezember 2023  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Flussüberquerungen sind nur mit schwerem Gerät, wie hier dem Brückenlegepanzer Biber, möglich. Fehlt die Brückenbau-Kompanie, müssen die Truppen auf dem eigenen Ufer bleiben (Niederländisches Verteidigungsministerium (Ministerie van Defensie), 15. Februar 2015, CC0)

Den Fokus weg von rein militärischen Konfliktlösungen hin zu einer umfassenden Sicherheit war das Plädoyer der Veranstaltung „Kriegstüchtig oder friedensfähig? Kontroversen linker Friedenspolitik“. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) organisiert.

Soziale Sicherheit statt Militär

„Die Vereinten Nationen plädieren für eine umfassende menschliche Sicherheit, die sich nicht allein an der Truppenstärke der Armee festmachen lässt“, erläuterte Jan van Aken, Referent der RLS für internationale Krisen und Konflikte. Diese beinhalte Katastrophenschutz wie im Ahrtal ebenso wie die soziale Sicherheit, nicht zwangsgeräumt zu werden. Doch führe das 100 Milliarden Euro- Sondervermögen für die Bundeswehr dazu, dass das Geld beispielsweise bei der Kindergrundsicherung fehle. „Hat man allein das Militärische im Fokus, führt das zu Unsicherheit in der Bevölkerung“, gab er zu bedenken.

Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit

Dem setzte er eine kooperativ gedachte militärische Sicherheit entgegen und bezog sich dabei auf die „strukturelle Nichtsangriffsfähigkeit“, wie sie von Egon Bahr, dem Berater von Willy Brandt, entwickelt worden war. In den 70er Jahren informierten sich die NATO und der Warschauer Pakt etwa über die eigene Truppenstärke und Verfügbarkeit von Waffensystemen, um ein Maximum an Transparenz und Vorhersehbarkeit zu erreichen. Probleme, die die Sicherheitsinteressen einer Seite beeinträchtigten, wurden in gegenseitigen Kompromissen ausgeräumt.

Landesverteidigung statt Angriff

„Im Zuge einer NATO-Vorgabe sollte die Bundeswehr ihre Heeresstärke auf 500.000 Mann aufstocken“, gab van Aken ein Beispiel. Davon sah sich die sowjetische Gegenseite jedoch massiv bedroht. Der gefundene Kompromiss sah schließlich vor, dass die Bundeswehr die Truppenstärke erhöhte, im gleichen Zug jedoch ihre Feldlazarette und Brückenlege-Kompanien auflöste. Der Gedanke dahinter: Greife die NATO tatsächlich das feindliche Militärbündnis an, könnten die westlichen Soldaten mit einer einzigen gesprengten Brücke aufgehalten werden, da ihnen die Ausrüstung zur Überquerung fehle. Landesverteidigung ist möglich, der Angriff nicht.

EU demokratisieren

Obwohl er die Ideen einer EU-Armee kritisierte, sprach sich der Konfliktforscher für ein eigenständiges Agieren der Europäischen Union aus. „Ich habe die Sorge, dass eine EU-Armee dazu benutzt wird, um globale Machtinteressen durchzusetzen“, warnte er. Denn im Vergleich zur vom Bundestag kontrollierten parlamentarischen Armee Deutschlands verfüge das EU-Parlament über keinen Vorbehalt, um sich gegen den möglichen Einsatz von EU-Streitkräften auszusprechen. „Die EU muss sich erst demokratisieren“, stellte er eine grundlegende Bedingung auf.

194 gleichberechtigte Staaten

Andererseits sah er in einem eigenständigen Akteur EU neben den Vereinigten Staaten, der Russischen Föderation und der Volksrepublik China auch einen Vorteil. Denn eine multipolare Welt reduziere die Gefahr einer Eskalation, wie sie etwa bei zwei gegnerischen Machtblöcken bestehe, deutlich. „Ideal wäre eine multilaterale Welt, in der 194 Staaten gleichberechtigt nebeneinander existieren“, formulierte van Aken seine Wunschvorstellung.

Generalversammlung statt Sicherheitsrat

Der UNO sprach er bei der Beilegung des Russland-Ukraine-Krieges kein großes Potential zu. „Beide Konfliktparteien sind Teil der Organisation“, erläuterte er. Darüber hinaus könnten die fünf Vetomächte im Sicherheitsrat – allen voran Russland oder die Vereinigten Staaten – Entscheidungen blockieren. „Entscheidungsbefugnisse sollten vom elitären Sicherheitsrat in die Generalversammlung mit ihren 194 Ländern gegeben werden“, sagte er. Denn dort hätte jeder Staat nur eine Stimme, eine Veto-Möglichkeit existiere nicht. „Wenn kooperative Sicherheit und Abrüstung zur Zeit des Kalten Krieges möglich waren – warum verfolgt man diese Perspektive nicht auch heute?“, fragte er.

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