Der Kampf der Rom*nja und Sinti*zze

15. April 2024  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Grafik: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Ein vergessener Völkermord und immer noch bestehende Diskriminierung gegen Rom*nja und Sinti*zze war Thema bei der 22. Folge des migrationspolitischen Podcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Dieser beschäftigte sich mit dem Widerstand gegen Antiziganismus.

Das große Verschlingen

„Antiziganismus ist eine Form des Rassismus, die in der deutschen Bevölkerung weniger verurteilt wird als etwa Hass gegen Jüd*innen“, sagte Romeo Franz. Die Vorfahren des in Kaiserslautern geborenen Sintos lebten seit über 600 Jahren im deutschsprachigen Raum, die letzten Generationen waren etwa in der Region um Danzig ansässig. „Meine Großmutter floh aus Berlin nach Zagreb und Odessa“, ging der EU-Abgeordnete der Grünen auf seine Familiengeschichte ein. Sechs Onkel und Tanten wurden im Porajmos („das Verschlingen“) von den Nazis ermordet. Symptomatisch sei, dass Sinti*zze und Rom*nja erst 1980, nach einem Hungerstreik einstiger KZ-Insassen auf dem Gelände des Lagers Dachau als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt wurden. Rund 500.000 Angehörige dieser Minderheiten waren dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer gefallen.

Deutscher Antiziganismus

Doch auch vier Jahrzehnte später wurden sie massivst verfolgt. „In den Jugoslawienkriegen wurden Rom*nja-Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und ihre Einwohner in Massengräbern verscharrt“, erläuterte Franz. Gleichzeitig gaben in den 90ern 60 Prozent der deutschen Bevölkerung an, eine starke Abneigung gegen diese Menschen zu haben. „Die Entschädigungen ehemaliger NS-Verfolgter zog sich bis in die 2000er Jahre hin“, spann er den Bogen zur deutschen Vernichtungspolitik.

Gemeinsame Vielfalt

Die Reduzierung auf osteuropäische Rom*nja oder deutsche Sinti*zze sah er kritisch. „Es gibt über 200 Romanes-Dialekte, in Finnland leben die Kaale, in Großbritannien die Traveller, in Frankreich die Manusch und in Polen die Lovara“, machte Franz die Vielfalt der unterschiedlichen Gruppierungen deutlich. Sinti*zze nutzten beispielsweise kaum die blau-grüne Flagge mit dem Wagenrad, da sie sich selbst als deutsche Staatsbürger*innen sähen. Doch trotz dieser Heterogenität hätten Sinti*zze und Rom*nja große Gemeinsamkeiten mit People of colour, Menschen mit Beeinträchtigungen oder der LBGTIQ-Bewegung. Denn sie alle hätten keinen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnen und Arbeit. „Wir müssen uns alle zusammenschließen, um unsere Rechte einzufordern“, lautete der Appell Franz‘.

Abschiebungen heute

Kenan Emini erläuterte, dass nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen, bei dem 1992 auch Rom*nja in der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber attackiert wurden, die Asylgesetze drastisch verschärft wurden. „Zum gleichen Zeitpunkt wurden 70.000 im Kosovo lebende Rom*nja systematisch vertrieben“, stellte er die Ereignisse der Jugoslawienkriege gegenüber. Schob man die Flüchtlinge aus Deutschland in den Kosovo oder nach Serbien ab, hätten sie dort jedoch keinerlei wirtschaftliche Perspektive gehabt, erklärte der Produzent des Filmes „The Awakening“, welcher sich mit der Situation abgeschobener junger Rom*nja befasst. Auch heute käme es fast jede Woche zu Abschiebungen nach Serbien, dem Kosovo, Montenegro, Bulgarien oder Rumänien.

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