Rahel Jaeggi: Kapitalismus ist abschaffbar

06. September 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Rahel Jaeggi, 2015 (Anjadescartesfire, CC BY-SA 4.0)

Widerstand gegen den Kapitalismus und stattdessen eine demokratische Mitbestimmung, die den Menschen, nicht Konzerninteressen diene, war die Forderung der Philosophin Rahel Jaeggi. Im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) sprach sie über Marxismus aus Sicht der Philosophie.

Kapitalismus zerstört die Welt

Obwohl die absolute Armut abnehme, führe der Kapitalismus dazu, dass die soziale Ungleichheit immer größer werde, kritisierte die Philosophin Rahel Jaeggi das Wirtschaftssystem. „Er erhält nicht einmal seine eigenen Grundlagen“, wies sie auf exzessiven Raubbau und Umweltzerstörung hin. Philosophie könne helfen, in dem sie die gesellschaftlichen Zustände bewerte und Begriffe wie Ausbeutung oder Entfremdung erkläre. Auch könne sie Herrschaftsverhältnisse analysieren. Zu deren Veränderung brauche es jedoch andere Akteur*innen.

Widerstand ist notwendig

Dass der Kapitalismus nicht sang- und klanglos von selbst verschwinde, habe schon Karl Marx gesehen. Um das zu erreichen, müsse er aktiv bekämpft werden. „Wenn ihr [die Arbeiter*innen] das nicht macht, werdet ihr ganz elendig auf den Hund kommen“, fasste der Ökonom die Notwendigkeit der Organisation und des Widerstands zusammen. Doch wie könne ein vom Kapitalismus befreites Leben aussehen? „Würden wir die Technik für die Bedürfnisse aller Menschen einsetzen, wären wir frei von der 40-Stunden-Woche“, nannte Jaeggi ein Beispiel.

Selbstverwirklichung statt Lohnarbeit

Die Menschen könnten die Zeit für andere Dinge nutzen, als den Großteil des Tages einer bloßen Lohnarbeit nachzugehen. „Die gewählte Arbeit sollte der Selbstverwirklichung dienen“, lautete das Plädoyer der Wissenschaftlerin. Wenn die Digitalisierung dazu beitragen könne, dem Menschen monotone und nervtötende Tätigkeiten abzunehmen, sei dies als eine Befreiung im marxschen Sinne zu sehen, so die Professorin der Berliner Humboldt-Universität.

Ungleiche Chancenverteilung

Der Kapitalismus habe seit jeher auf die Enteignung von Gemeinschaftseigentum und die totale Disziplinierung des Einzelnen gesetzt. Das System, sorge vielfach für ungleiche Grundvoraussetzungen, z.B. Einkommen der Eltern und Bildungsverlauf der Kinder, die es den Menschen unmöglich machten, wirklich freie Entscheidungen treffen zu können. Dieses Gefühl der Ohnmacht führe bei vielen Menschen zu einer obsessiven Selbstoptimierung. „Wenn ich schon keinen Einfluss auf das Geschehen um mich herum habe, will ich wenigstens meinen Körper kontrollieren“, gab Jaeggi ein anschauliches Beispiel.

Demokratie statt Kapitalismus

Als eine Alternative zum Kapitalismus sah sie eine breit aufgestellte Demokratie und Mitbestimmung der Menschen. In diesem Sinne fragte sie auch, ob Demokratie und Kapitalismus überhaupt vereinbar seien. Davon, dass die kapitalistischen Verhältnisse geändert werden könnten, war die Philosophin überzeugt. „Die Besitzverhältnisse über andere Menschen in Form der Sklaverei haben sich im Laufe der Zeit geändert“, sagte sie. Gleiches gelte für die Verfügungsgewalt des Ehemannes über die Frau – etwa hinsichtlich der Vergewaltigung in der Ehe, der eigenständigen Berufswahl oder der Möglichkeit, als Frau selbst ein Konto zu führen. Warum sollte sich dann nicht auch die gesellschaftliche Vorstellung von Privatbesitz ändern können, fragte sie.

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