Wie grün muss Sozialismus sein?

15. März 2024  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Der Gegensatz von Kapital und Klimaschutz war Thema bei einer Diskussionsveranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die EU-Spitzenkadidatin der Linken, Carola Rackete, die einstige Bundessprecherin der Grünen Jugend Sarah-Lee Heinrich und der Autor Raul Zelik sprachen über ihre Vorstellungen eines grünen Sozialismus.

Buch, Kaffee und Nähmaschine

„Wäre der grüne Sozialismus Wirklichkeit, müsste niemand mehr seine Wohnung oder sein Fahrrad abschließen müssen“, blickt Carola Rackete hoffnungsvoll in die Zukunft. Auch herrsche dann in öffentlichen Räumen eine Atmosphäre des Miteinanders. „In Bibliotheken in Skandinavien kann man zum Bücherlesen einen kostenlosen Kaffee bekommen“, erklärte die EU-Spitzenkandidatin der Linken. Es wäre schön, wenn man sich in Deutschland mit ebensolcher Selbstverständlichkeit eine Nähmaschine oder auch anderes Werkzeug ausleihen könnte, um selbst Dinge zu gestalten.

Reiche müssen zahlen

„Im heißesten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sind die Vermögen so ungleich verteilt wie noch nie“, brachte sie Klimakrise und Kapitalismus in eine Verbindung. In solch einer Situation sei es wichtig, dass die Vermögenden eine Krisenabgabe entrichteten, mit der die demokratische Transformation hin zu einem nachhaltigen Wirtschaften finanziert werde. „80 Prozent der Gesetze werden in den europäischen Institutionen beschlossen“, erläuterte sie und wies somit darauf hin, warum sie ihren Platz im Europa-Parlament sähe. Dort sei es auch leichter möglich, Zugänge zur Zivilgesellschaft zu ermöglichen. So könne man beispielsweise Visa für vom Lithiumabbau betroffene Brasilianer*innen ausstellen, die ihre Lebenserfahrungen mit Tesla-Mitarbeiter*innen in Grünheide teilten.

Lobbyarbeit und Subventionen

Den aktuellen Bauernprotesten stand Rackete differenziert gegenüber. Einerseits würden allein 30 Prozent des EU-Budgets als Subventionen in die Landwirtschaft fließen, für die der konservative Deutsche Bauernverband eine konzernmäßige Lobbyarbeit leiste. Andererseits hätten seit der Bankenkrise von 2008 vor allem in Ostdeutschland Investor*innen im großen Stil landwirtschaftliche Flächen aufgekauft. „Die Pachtpreise für Bäuer*innen haben sich dadurch verdoppelt“, zeigte sie die Folgen auf. Auch würden die Subventionen vor allem Großbetriebe zugute kommen. „In Sachsen wird über ein Gesetz diskutiert, die Größe von Betrieben auf 2.500 Hektar zu begrenzen“, ging sie auf eine mögliche Regulierung ein. Doch fragte sie sich auch, warum in Deutschland Lebensmittel überhaupt unter ihrem Erzeugungspreis verkauft werden dürfen.

Umwelt und öffentliches Eigentum

„Klimaschutz muss Hand in Hand mit öffentlichem Eigentum gehen“, erklärte Sarah-Lee Heinrich, frühere Bundessprecherin der Grüne Jugend. Würde etwa ein kostenloser und gut ausgebauter Öffentlicher Nahverkehr geschaffen, sähen die Bürger*innen, dass Umweltschutz nicht zu geringerer Lebensqualität führe. Auch brauche es eine bessere Daseinsführsorge und höhere Löhne, um finanziell schwache Menschen zu entlasten. „Eigentlich müsste die deutsche Automobilindustrie komplett abgeschafft werden“, stellte sie fest. Doch dafür gäbe es ebenso wenig eine Mehrheit in der Bevölkerung wie zur Abschaffung der Pendler*innenpauschale, gab sie sich realistisch.

Kapital gegen Klimaschutz

„Aktuell hat die Linke keine ausreichende Organisationsmacht, um die Gesellschaft zu verändern“, ging der Autor Raul Zelik auf die momentane Lage ein. Dabei führe die Ausbeutung der Natur und die dadurch immer knapper werdenden Ressourcen zur Verschärfung der Klassenverhältnisse. So seien von Dürren und Überschwemmungen zum größten Teil die unteren Klassen der Gesellschaft betroffen. „Erst wenn die Interessen des Kapitals zurückgedrängt sind, kann es echten Klimaschutz geben“, erklärte er. Statt über einen jährlichen Urlaubsflug der Durchschnittsbürger*innen zu reden, sollte man lieber das reichste ein Prozent ins Auge nehmen, dass allein durch seinen Konsum 20 Prozent der weltweiten Emissionen verursache, mahnte er. „Die Abkehr vom konsumorientierten Kapitalismus könnte eine 25-Stunden-Woche für die Beschäftigten zur Folge haben“, sprach Zelik eine mögliche positive Veränderung an.

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