Mit 4-Tage-Woche zu sozialer Gerechtigkeit?

20. Oktober 2023  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Über Chancen, aber auch Gefahren der 4-Tage-Woche ging es bei dem Vortrag von Sigrun Matthiesen zu „Arbeitszeitverkürzung als Hebel für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit“. Dieser wurde seitens der Rosa-Luxemburg-Stiftung Nordrheinwestfalen organisiert.

Weniger Arbeit erwünscht

„Wir müssen die Kontrolle über unsere persönliche Zeit zurückgewinnen“, erklärte die Journalistin. Sehe man sich die Statistiken an, würden Menschen mit einem Vollzeitberuf 41 Stunden in der Woche arbeiten, obwohl sich 70 Prozent von ihnen wünschten, das Pensum zu reduzieren. Die IG Metall etwa gehe in diese Richtung. „In der Stahlindustrie wird die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert“, erklärte Matthiesen. Aufgrund des Schichtsystems sei die Arbeitszeitreduzierung zwar schon bei rund der Hälfte der Beschäftigten der Fall, allerdings erhielten diese auch prozentual weniger Lohn.

Prekäre Beschäftigung

Eine weitere Gewerkschaft, die sich mit der 4-Tage-Woche beschäftige sei, ver.di. Doch im Gegensatz zum hochproduktiven und stark technisierten Metallbereich seien hier viele Angestellte organisiert, die in prekären Beschäftigungsverhältnisse lebten. „Weniger zu arbeiten können sie sich schlichtweg nicht leisten“, erläuterte die OXI-Redakteurin. Es sei jedoch nötig, bei Arbeitszeitverkürzung auch gleichzeitig von Care-Arbeit, Weiterbildung und politischer Beteiligung zu sprechen, mahnte sie an.

Zeit für Veränderung

Denn die Gefahr bestehe, dass es durch solch eine Maßnahme zu einer Arbeitszeitverdichtung und somit vermehrter Selbstausbeutung komme. Auch könne dies dazu führen, dass Frauen durch den frei gewordenen Tag erneut in Care-Arbeit gedrängt würden. „Das sind keine linken Vorstellungen von Freiheit und Emanzipation“, warnte Matthiesen. Stattdessen solle die freigeworden Zeit für Engagement in Transformationsräten genutzt werden. „Die Angestellten selbst können dadurch selbst über den sozial-ökologischen Wandel ihres Betriebs mitbestimmen“, führte sie aus. Denn Vollzeitjob, Berufsverkehr und Haushalt ließen kaum Zeit für eine dringend notwendige Wirtschaftsdemokratie.

Gewerkschaft: kein Degrowth

In Gewerkschaften sei die 4-Tage-Woche aus ökologischer Perspektive kein Thema, erklärte die Journalistin. So hatte ein IG-Metall-Sekretär die Vorstellung, weniger zu arbeiten, um dadurch weniger zu produzieren und somit einen geringeren Ressourcenverbrauch zu haben, als utopisch bezeichnet. In keinem der Gespräche, die er in den Betrieben geführt habe, sei dieser Degrowth-Ansatz eine Motivation zur Erreichung der 4-Tage-Woche gewesen.

Arbeit umverteilen

Matthiesen plädierte für eine Arbeitszeitumverteilung zwischen prekär Beschäftigten und Privilegierten sowie Teilzeit- und Vollzeitarbeitenden. Ebenfalls müsse es zu einer Änderung von fossilen zu regenerativen Energien bzw. technisierten und sozialen Berufsgruppen kommen. Privatisierte Aufgaben sollten wieder in die öffentliche Hand zurückgegeben werden. „Das alles kostet Geld“, wandte sie ein. Doch nutze man die Gewinne der Kapitalprofiteure, seien die dafür notwendigen finanziellen Mittel vorhanden.

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