EU: Kapitalismus und der Green Deal

06. Mai 2024  Europa
Geschrieben von Kreisverband

Climate March Brüssel. Foto: The Left, CC BY-NC-SA 2

Kritik am kapitalismusgetriebenen Green Deal der EU und Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit in Klimafragen waren bei der Veranstaltung „Europäische Klimapolitik“ zu hören. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

2050: Klimaneutralität

Der Europäische Green Deal sieht vor, dass die CO2-Emissionen in der EU bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden (im Vergleich zu 1990) und die Gemeinschaft 2050 vollständig klimaneutral sei. „Aktuell liegen die Reduktionen bei 32 Prozent“, erklärte Juliane Schumacher. Angestoßen wurde die Idee einer sozial-ökologischen Veränderung von Aktivist*innen, die sich dabei auf den „New Deal“ von US-Präsidenten Franklin Roosevelt beriefen. Dieser hatte in den 1930er Jahren ein umfassendes Reformprogramm umgesetzt, das neben staatlichen Investitionen in Eisenbahn und Elektrifizierung auch das Aufforsten von Wäldern oder die Schaffung eines Sozialsystems beinhaltete.

Immer noch Wachstum

Doch folge das europäische Programm auch klaren geopolitischen Zwängen. „Die USA stellten mit dem Inflation Act 700 Milliarden US-Dollar für grüne Technologie bereit, China investiert bereits jahrelang in Photovoltaik“, wies die Mitarbeiterin des Leibniz Zentrums Moderner Orient auf die globale Konkurrenzsituation der EU hin. In diesem Kontext sei der Green Deal, der 0,5 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung umfasse, jedoch zu niedrig angesetzt. „Roosevelt nahm dafür jährlich 6 Prozent in die Hand“, verdeutlichte sie die notwendigen Größendimensionen. Auch müsse aus linker Sicht die Wachstumsorientierung kritisiert werden. „Konsumreduzierung wird überhaupt nicht thematisiert“, mahnte sie an.

Arme Menschen zahlen

Auch soziale Gerechtigkeit komme im Green Deal nicht vor. Denn dessen Finanzierung erfolge maßgeblich über die Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel. Dabei geben jedoch Firmen die entstehenden Kosten an die Konsument*innen weiter. Das führe dazu, dass vor allem ärmere Menschen überproportional mehr Geld zahlen müssten. „Die ärmeren 50 Prozent der EU-Bevölkerung haben die gesteckten Klimaziele schon erreicht“, erläuterte Schumacher den Sachverhalt, dass arme Menschen kaum CO2 verursachten. Kritisch sei hingegen der CO2-Ausstoß der oberen 10 Prozent. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die Reichen ihr Verhalten aufgrund der CO2-Steuer ändern würden, gab sie zu bedenken.

Grüner Kapitalismus

Franziska Müller brachte die Bedeutung der Umweltgerechtigkeit ein. Wer dürfe beispielsweise bei der Errichtung einer neuen Mülldeponie mitsprechen, wer habe Zugang zu sauberer Luft oder Naherholungsgebieten und wer ist von Naturschutzmaßnahmen betroffen? Aber auch die Frage, welche historischen Energieungerechtigkeiten es gäbe, sei mit Blick auf Industrie- und Schwellenländer bedeutsam. Zwar sei das EU-Konzept in Sachen Kreislaufwirtschaft und Recycling gut. „Das bewegt sich aber alles im Rahmen eines grünen Kapitalismus“, kritisierte die Forscherin der Internationalen Klimapolitik.

Gas von autoritären Regimen

So stand sie etwa dem Klimagrenzausgleich-Mechanismus skeptisch gegenüber. Dieser sieht vor, dass importierter, mit Kohle erzeugter Stahl mit einer Extra-Steuer belegt wird. „Globale Player wie China oder Russland können sich diese Mehrkosten leisten“, wies sie auf große Volkswirtschaften hin. Länder wie Mosambik seien im Vergleich dazu benachteiligt. Auch könne dieses Handelshemmnis die Konflikte zur grünen Transformation in ärmeren Staaten verschärfen, warnte Müller. Auch die Energiepatenschaften der EU mit Aserbaidschan und Ägypten orientierten sich nur an marktwirtschaftlichen Punkten, nicht an demokratischen Kontexten. Ebenfalls müsste die Wasserstoffgewinnung in südlichen Ländern an Umweltstandards geknüpft werden, da durch großflächige Entsalzungsanlagen die Ökosysteme der dortigen Küsten gefährdet werden könnten.

Kooperation und Mitbestimmung

Desiree Becker hob die gute Zusammenarbeit von Klimabewegung und Gewerkschaften am Beispiel der Initiative „Wir fahren zusammen“ hervor. Dabei kämpfe man gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV, um die Verkehrswende erfolgreich zu meistern. Auch müssten die Beschäftigten in energieintensiven Unternehmen mitentscheiden können, wie die Gelder der Transformationsförderung verwendet würden. „Die Wirtschaft muss dem Menschen und der Natur dienen, nicht den Konzernen“, forderte die EU-Kandidatin der Linken. Auch müssten öffentliche Vergaben auf Grundlage eines Tariftreuegesetzes erfolgen, das ökologische und soziale Standards befolge.

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