Mit der Oktoberrevolution greift die 24. Folge des Geschichtspodcasts der Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Ereignis auf, das die Welt veränderte. Aus dem linken Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit wurde jedoch ein autoritäres Terrorregime.
Leibeigene und Sozialrevolutionäre
Zur Ausgangssituation: Das Russische Zarenreich gilt als eines der rückständigsten Länder Europas. Der Staat, der sich von Finnland und Polen über die Krim und den Kaukasus bis zur Beringstraße nahe Alaska erstreckt, ist eine agrarische Ständegesellschaft. Bäuer*innen sind durch die Leibeigenschaft an ihre „Scholle“ gebunden, Investitionen zur Industrialisierung des Landes kommen nur aus dem Ausland. 1898 gründet sich die marxistisch ausgerichtete Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR), 1902 die Partei der Sozialrevolutionäre, nichtmarxistische Sozialist*innen, die in den Bäuer*innen das revolutionäre Subjekt sehen.
1903: Die Geburt der Bolschewiki
Wladimir Iljitsch Lenin, der sich innerhalb der SDAPR für eine straffe Kaderpartei, bestehend aus Berufsrevolutionär*innen, aussprach, setzt sich 1903 in einer Abstimmung gegen den gemäßigten Flügel durch, der eine breite Mitgliederbasis anstrebt. Seither nennen sich Lenins Anhänger „Bolschewiki“ (Mehrheitler), während die gemäßigten Sozialdemokrat*innen abschätzig „Menschewiki“ (Minderheitler) genannt werden.
1905: Die Erste Revolution
Am 9. Januar 1905 ziehen Arbeiter*innen aus St. Petersburg zum Winterpalast des Zaren. Ihre Forderungen: der Achtstundentag, Mindestlöhne, und freie Gewerkschaften. Soldaten schlagen die Kundgebung gewaltsam nieder, der „Petersburger Blutsonntag“ fordert bis zu 1.000 Tote. Daraufhin flammen im ganzen Land Aufstände auf, Bäuer*innen revoltieren gegen ihre ärmlichen Lebensumstände. Studierende protestieren gegen die drohende Einberufung ins Militär, das im Russisch-Japanischen Krieg katastrophale Niederlagen erleidet. Bürger*innen fordern ein Parlament, in Finnland, Polen und der Ukraine streben die Einwohner*innen nach Unabhängigkeit.
Mitsprache unerwünscht
Die Bolschewiki sind von dem spontanen Volksaufstand vollkommen überrascht. Wegen fehlender Zusammenarbeit der einzelnen Gruppierungen fällt die Revolution schnell in sich zusammen und wird schlussendlich gewaltsam niedergeschlagen. 14.000 Menschen werden hingerichtet. Zar Nikolaus II. führt ein Zensuswahlrecht und ein Parlament (Duma) ein. Da der Zar bei letzterem jedoch über ein Vetorecht verfügt, verkommt die Duma zu einer Scheininstitution.
1917: Die Februarrevolution
Der Erste Weltkrieg führt zu militärischen Niederlagen gegen die Deutschen (Tannenberg, Masurische Seen) und Hungersnöten in den Städten. Am 23. Februar 1917, dem Internationalen Tag der Frau, demonstrieren Textilarbeiterinnen in St. Petersburg für mehr Brot. Bald fordert die Menge auch den Sturz des Zaren. Dieser gibt einen Schießbefehl an die Truppen aus. Jedoch solidarisieren sich die Soldaten mit den Demonstrierenden. Nikolaus II. dankt ab, es bilden sich Arbeiter- und Soldatenräte (Sowjets). Zeitgleich kommt es mit der Provisorischen Regierung zu einer Doppelherrschaft.
Lenin und die Deutschen
Lenin kehrt mit deutscher Hilfe aus seinem Schweizer Exil zurück und fordert in seinen Aprilthesen das sofortige Ende des Krieges und die Machtübernahme der Sowjets. Im Juli schließt sich Leo Trotzki, ein ehemaliger Menschewik, den Bolschewiki an und wird zum Führer des Revolutionskomitees ernannt. Ein linker Aufstand wird von der Regierung niedergeschlagen und die Bolschewiki verboten. Die Regierung setzt sich nun aus Sozialrevolutionären, Menschewiki und liberalen „Kadetten“ zusammen. Als der Oberbefehlshaber der Armee, General Kornilow, mit Truppen auf die Hauptstadt marschiert, schließen sich tausende Arbeiter*innen zusammen, um die rechte Konterrevolution abzuwehren. Als Dank dafür werden führende Bolschewiki aus den Gefängnissen entlassen.
Die Oktoberrevolution
Die Bolschewiki unter Lenin revanchieren sich dahingehend, dass sie im Oktober gegen die Regierung putschen. Der Winterpalast wird fast unblutig eingenommen, die Minister verhaftet. Der Rat der Volkskommissare ordnet die Verstaatlichung der Banken und die gewerkschaftliche Organisation von Betrieben an. Auch wird das Selbstbestimmungsrecht nationaler Minderheiten gestärkt. Frauen werden erstmals den Männern rechtlich gleichgestellt, die Zivilehe ermöglicht und Scheidungen erleichtert. Alexandra Kollontai wird die erste Ministerin der Welt und setzt sich für kostenlose Mütterheime ein.
Der Bürgerkrieg
1918 kommt es in Deutschland zur Novemberrevolution. In Ungarn errichtet Béla Kun 1919 eine Räterepublik, in Italien kommt es ab 1920 zu den „roten Jahren“, in denen Arbeiter*innen Ländereien und Betriebe besetzen. Nachdem in Russland die Sozialrevolutionäre bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung jedoch die stärkste Kraft werden und die Bolschewiki mit lediglich 25 Prozent weit hinter sich lassen, lösen Lenin und Trotzki kurzerhand das Parlament auf und der Bürgerkrieg entbrennt.
Krieg gegen Linke
Trotzki etabliert einen sogenannten „Kriegskommunismus“, der Bäuer*innen zwingt, ihr Getreide zu festgelegten Preisen in die Städte zu liefern. Dies führt zu einer Vielzahl von Revolten. In der Ukraine erkämpft sich die „schwarze Armee“ unter Nestor Machno ein anarchistisch organisiertes Gebiet, bevor die Bewegung von der Roten Armee zerschlagen wird. In St. Petersburg demonstrieren Arbeiter*innen gegen den Allmachtsanspruch der bolschewistischen Partei, Die Matrosen in Kronstadt fordern ebenfalls die Rückkehr zur parteilosen Sowjetherrschaft. Ihr Aufstand wird von Trotzki blutig niedergeschlagen. Die Diktatur der Bolschewiki erfährt mit dem innerparteilichen Verbot von Fraktionsbildung eine weitere Radikalisierung.
Die Neue Ökonomische Politik
Nach dem Sieg im Bürgerkrieg lässt Lenin mit der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) marktwirtschaftliche Methoden zu, was zu einem Aufblühen des Handelns führt. Der Revolutionsführer fördert die unterschiedlichen Landessprachen und setzt sich für eine umfassende Alphabetisierung ein. 1924, kurz vor seinem Tod, wendet er gegen die stattfindende Bürokratisierung des Staatsapparats und empfiehlt, Josef Stalin von seinem Posten als Generalsekretär zu entfernen.
Der Stalinismus
Nach Lenins Tod setzt sich Stalin jedoch durch, indem er zuerst die linke Opposition um Trotzki ausschaltet und sich dann gegen die rechte Strömung um Nikolai Bucharin wendet. Seine Zwangskollektivierung, der Kampf gegen sogenannte „Kulaken“ (Großbauern) und die angestrebte Industrialisierung des Landes fordern Millionen Tote. Während der „Großen Säuberungen“ (1936-38) wird fast die gesamte Partei- und Armeeführung hingerichtet, tausende Sowjetbürger*innen werden ebenfalls erschossen oder verschwinden in den Gulags. Auf Stalins Befehl werden ganze Bevölkerungsgruppen deportiert, der Terror wird zum Alltag.
Weiterführende Links:
- RLS (5.9.2023): Rosalux History, Folge 24. Die Oktoberrevolution – https://www.rosalux.de/rosalux-history
- Geo Epoche (2017): Die Russische Revolution. Nr. 83 – https://www.geo.de/magazine/geo-epoche/21993-geo-epoche-die-russische-revolution
- Die Linke SC-RH (12.4.2023): Rosalux History. Die Novemberrevolution – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/rosalux-history-die-novemberrevolution/
- Die Linke SC-RH (19.10.2019): Räterepublik in Franken und München – https://www.die-linke-schwabach-roth.de/geschichte/raeterepublik-in-franken-und-muenchen/