Kohei Saito: Es braucht einen „Systemsturz“

21. September 2023  Gesellschaft
Geschrieben von Kreisverband

Kohei Saito, 2018 (Rosa-Luxemburg-Stiftung, CC BY 3.0)

Mehr Investitionen in Allgemeinwohlgüter und eine Regulierung von Fast-Fashion-Produkten sowie Werbung sind laut dem Philosophen Kohei Saito wichtige Schritte hin zu einem Degrowth-Kommunismus. In einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung stellte er sein nun auf deutsch erschienenes Buch „Systemsturz“ vor.

Kapitalismus zerstört Lebensgrundlage

Für den japanischen Professor ist klar: Es braucht ein Bündnis aus Arbeiter*innen- und Umweltbewegung, um gegen das fossile Kapital und die damit einhergehenden Ungerechtigkeiten vorzugehen. „Im Kapitalismus ist das gut, was Profite bringt – nicht das, was nützlich ist“, erläuterte er. Das System basiere auf ständigem Wirtschaftswachstum, das die ökologischen Grenzen des Planeten schon längst überschreite. „Ab einem gewissen Punkt ist Wachstum aus nachhaltiger Sicht nicht mehr wünschenswert“, kritisierte Saito dieses Denken. Auch mache wirtschaftliches Wachstum die Menschen nicht glücklicher, mahnte er.

Solidarisches Wirtschaften statt Raubbau

In seinen späteren Jahren habe sich Karl Marx viel mit der Abholzung von Wäldern, der rücksichtslosen Ausbeutung von Kohlevorkommen sowie dem Artensterben beschäftigt. Gleichzeitig war er an vorkapitalistischen Gesellschaftsformen, etwa in Russland oder Indien, interessiert. Dabei ging er der Frage nach, wie sich die Mensch-Natur-Beziehung in anderen Weltregionen gestaltete. „In diesen Gesellschaften wurde für die Grundbedürfnisse produziert, bis diese erfüllt waren“, erläuterte Saito. Die kapitalistischen Krisen könnten Marx zufolge durch eine Rückkehr zu solchen höherwertigen landwirtschaftlichen Kommunen, die ein Gemeinschaftsleben praktizierten, gelöst werden.

Konsum in Frage stellen

Diesen Gedanken, der sowohl Gleichheit als auch Nachhaltigkeit verwirklicht, übertrug der Wissenschaftler auf die Gegenwart. Zuerst müsse das Bruttoinlandsprodukt als Indikator für Wohlstand aufgegeben werden, da es keine Faktoren wie Nachhaltigkeit, Wohlbefinden oder soziale Gleichheit beinhalte, forderte er. Weitere Schritte seien das Infragestellen von Privatyachten, Fast-Fashion, aber auch Werbung. „Der übermäßige Konsum muss im Ganzen abgeschafft werden“, lautet sein Credo. Stattdessen müsse der gesellschaftliche Wohlstand gerecht verteilt werden.

Öffentliche Infrastruktur und soziale Ressourcen

Genossenschaftlicher Reichtum zeichne sich durch kostenlosen Nahverkehr, eine bessere öffentliche Gesundheitsversorgung und ausreichenden Neubau von Sozialwohnungen aus – und nicht durch private Gewinne, mahnte Saito. Als gelungenes Beispiel nannte er die Kommunalverwaltung im katalanischen Barcelona. Die dortige Regierung habe sich für mehr Autonomie, Teilhabe und Gleichberechtigung eingesetzt. Möglichkeiten seien laut dem Professor eine 3- oder 4-Stunden-Woche. Dies führe einerseits zu weniger überflüssigen Gütern, andererseits zu mehr Zeit für Familie, Freundschaften, Sport oder ehrenamtliches Engagement.

Autoindustrie nicht nachhaltig

Dass der vom Europäischen Parlament propagierte Green Deal diese Ansprüche nicht erfüllt, macht er am Beispiel der Autoindustrie fest. Hier würden immer schwerere und teurere E-Modelle hergestellt. Zwar brauche es für die Verkehrswende E-Mobilität, doch müsse die Anzahl der PKWs massiv reduziert werden, ist sich Saito sicher. Denn die für die Batterien benötigten Seltenen Erden würden wiederum aus Afrika oder Südamerika in den industriellen Norden importiert. „Die Lithium-Ressourcen sollten für den ÖPNV, nicht für persönliche SUVs verwendet werden“, kritisierte er die Verteilung der Rohstoffe.

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