Wirtschaftsdemokratie und Gemeinwohl

11. April 2023  Politik
Geschrieben von Kreisverband

Wirtschaftsdemokratie neu denken (Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Technologiepolitik für das Gemeinwohl, nicht für Großkonzerne lautete der Appell von Philipp Frey. Der Forscher beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hielt einen Vortrag zu „Demokratisierung von Technik ohne Wirtschaftsdemokratie?“. Die Veranstaltung wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg organisiert.

Belegschaft profitiert kaum von Gewinnen

„Manager*innen sind den Kapitaleigner*innen verpflichtet, nicht dem Gros der arbeitenden Belegschaft“, erläuterte Frey die ungleiche Machtverteilung in großen Firmen. Sowohl OECD als auch IWF hätten darauf hingewiesen, dass die Ungleichverteilung der Produktivitätsgewinne in den vergangenen Jahrzehnten zu einer massiven ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen geführt hatten. So führe die höhere Produktivität durch automatisierte Arbeitsabläufe selten zu einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung als vielmehr zu Arbeitsplatzabbau, um so Personalkosten zu sparen, erklärte er. „Die Gewinne kommen nicht bei den Arbeitnehmer*innen an.“

Einkommensungleichheit Gefahr für Demokratie

Doch solch eine Politik auf dem Rücken der Arbeiter*innen sei auch eine Gefahr für die Demokratie. So seien in den USA viele Menschen wegen des technischen Wandels aus der industriellen Fertigung gedrängt worden. „Ein Großteil der Betroffenen wählte anschließend Donald Trump als Präsident“, sagte Frey. Auch die Hans-Böckler-Stiftung wies eine Korrelation zwischen beruflicher Zukunftsangst und der Wahl rechter Parteien nach. „Der technologische Fortschritt muss allen, nicht nur den Aktionär*innen, zugute kommen“, forderte der Wissenschaftler des Zentrums für Emanzipatorische Technikforschung.

Wirtschaftsdemokratie nötig

Um dies zu erreichen, plädierte Frey für eine Wirtschaftsdemokratie. Dabei müssten dem Gewerkschafter Fritz Vilmar nach, alle ökonomischen Verfahren durch Beteiligung der Betroffenen, etwa Angestellte und Kund*innen, erfolgen. Aktuell schränkten gesetzliche Vorgaben wie der Arbeitsschutz, aber auch ein Betriebsrat, die autokratische Entscheidungsgewalt des Managements zwar in gewissen Teilen ein. „Die Machtungleichheit bleibt jedoch weiterhin bestehen“, mahnte Frey an.

Förderung an Bedingungen knüpfen

Alternativen könnten etwa durch eine progressive Innovationspolitik des Staates erfolgen. Diese sei momentan stark auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet und stelle durch entsprechende Fördermaßnahmen eine Art Subventionspolitik dar. „Wenn Unternehmen durch staatliche Förderungen profitieren, sollten daraus resultierende Patente auch der Öffentlichkeit zugänglich sein“, sagte er mit Blick auf Fördergelder der Bundesregierung für BioNTech (375 Millionen Euro) und CureVac (252 Millionen Euro). Auch sollten Förderprojekte gesamtgesellschaftlich diskutiert und abgestimmt werden, beispielsweise in Form von Bürger*innen-Räten.

Gemeinwohlorientierung im Blick haben

In der Corona-Krise stiegen die staatlichen Schulden – auch aufgrund von Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft – um 650 Milliarden Euro. Der Grad der öffentlichen Einflussnahme auf die gestützten Unternehmen habe sich jedoch kaum erhöht. „Bei der Rettung der Lufthansa mit 9 Milliarden Euro wäre das Verbot von Kurzstreckenflügen eine gemeinwohlorientierte ökologische Option gewesen“, kritisierte Frey. Auch hätten die im Anschluss erwirtschafteten Dividenden in den staatlichen Haushalt und nicht die Taschen privater Aktionär*innen fließen können, sagte er.

Zusammenarbeit führt zu Innovation

Hoffnung setzte der Wissenschaftler auf Transformationsräte, die in Vertretung der Gesamtgesellschaft Schritte hin zu einem gelungenen sozial-ökologischen Wandel erarbeiten. Gleiches solle im Rahmen von „Zukunftstarifverträgen“ auch in den einzelnen Betrieben geschehen. „Die Unternehmensleitung überlegt gemeinsam mit Betriebsrat und Angestellten, wie die Produktherstellung hinsichtlich der ökologischen Herausforderungen aussehen muss“, erklärte er das Modell. Studien belegten, dass Firmen mit einer starken Einbindung der Mitarbeitenden langfristig innovativer seien als Unternehmen mit einem hierarchisch-autokratischem Führungsstil.

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