Solidarität im Krieg: Linke Stimmen aus der Ukraine

03. März 2023  International
Geschrieben von Kreisverband

Flagge der Ukraine

Eintreten für eine gerechtere Nachkriegsgesellschaft, aber auch Unverständnis gegenüber der Haltung deutscher Linker zu Waffenlieferungen waren Thema bei der Podiumsdiskussion „Solidarität in Zeiten des Krieges“. Diese wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert.

Gut, dass Linke keinen Einfluss hat

„Anfangs wollte ich fragen, wer von den Anwesenden denn zu der Demonstration gegen Waffenlieferungen an die Ukraine [„Aufstand für Frieden“, 25.2.2023, Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer] gehen würde“, sagte die Kiewer Soziologin Oksana Dutchak. Der Stopp westlichem Kriegsgeräts hätte schlechte Konsequenzen für ihr Land. „Da ist es fast schon gut, dass Die Linke keinen großen Einfluss auf die Waffenlieferungen hat“, bemerkte sie. Aus deren Sicht seien die ukrainischen Linken, die sich für die Verteidigung ihrer Heimat einsetzten, wohl lauter chauvinistische Militarist*innen.

Ukrainer*innen wollen in die NATO

Die Eskalation des Konflikts läge nicht in der Lieferung von Artillerie und Panzern, sondern in der russischen Annektion ukrainischer Gebiete, stellte Dutchak fest. Ein Einfrieren des aktuellen Zustands würde zur zu einem erneuten Kriegsausbruch einige Jahre später führen. „Über 80 Prozent der Ukrainer*innen sind für einen NATO-Beitritt“, verwies die Redakteurin von Spilne auf die Haltung der Bevölkerung.

Angriffe auf Gesundheitswesen

„2022 gab es 700 Angriffe auf medizinische Infrastruktur, etwa Krankenhäuser, Blutspendezentren oder Apotheken“, zog Dutchak Bilanz. Über 50 ukrainische Mediziner*innen seien getötet worden. Während chronisch Kranke wegen des Krieges kaum an lebensnotwendige Maßnahmen kämen, würde die medizinische Ausstattung in den besetzten Gebieten oftmals nach Russland gebracht. „Aufgabe der Linken ist es, nach Kriegsende für eine sozial gerechte Gesellschaft einzutreten“, sagte sie.

Selbsthilfe und Verteidigung

Sergiy Movchan gehört zu einem antiautoritären Freiwilligennetzwerk, dessen Mitglieder in die befreiten Gebiete fahren, um den Menschen vor Ort zu helfen. „90 Prozent der Häuser sind zerstört, die Einwohner leben ohne Einkommen in den Kellern der Ruinen“, beschrieb er seine Erfahrungen. Zahlreiche Menschen organisierten sich in Gruppen zur Selbsthilfe, um Aufgaben zu übernehmen, die staatliche Hilfsstrukturen nicht leisten können. Viele hätten sich auch den Territorialen Verteidigungseinheiten angeschlossen.

Soziale Probleme gerecht lösen

Die ukrainische Linke könne nach einem erfolgreichen Ende des Krieges gestärkt daraus hervorgehen, da sie nun besser organisiert und gut vernetzt sei. „Die gerechte Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme ist unsere Aufgabe“, benannte er deren Ziel nach Beendigung des russischen Angriffskriegs. Eine der Forderungen sei auch ein internationaler Schuldenschnitt für das zerstörte Land.

Anarchist*innen helfen wirklich

Die Bewertung der deutschen Linken fiel kaum positiv aus. „Manche Aussagen werden von der ukrainischen Linken als bewusst prorussisch wahrgenommen“, sagte der Journalist. Im Gegensatz dazu verhielten sich Anarchist*innen aus Deutschland viel solidarischer mit den Angegriffenen. Genossen aus Russland oder Belarus kämpften sogar in der ukrainischen Armee gegen die Invasoren. „Stepan Bandera fungiert nur als Symbol für antirussischen Widerstand“, erläuterte Movchan die Bedeutung des ukrainischen Nationalisten in der heutigen Gesellschaft. „Putins Politik der Gegenwart hat viel mehr zum ukrainischen Nationalismus beigetragen als Banderas Ideologie in der Vergangenheit“, zog er einen Vergleich. In der populären Auffassung sei Bandera mittlerweile vollkommen entpolitisiert worden.

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