EU: Freier Markt und Intervention

30. Mai 2024  Europa
Geschrieben von Kreisverband

Großer, friedlicher Protest am und auf dem Römerberg in Frankfurt: Tausende verfolgen die Kundgebung und beteiligen sich an einer Protestdemo gegen Troika und EZB. (Fraktion DIE LINKE. im BundestagBlockupy Kundgebung und Demo in Frankfurt, CC BY 2.0)

Der Wechsel vom neoliberalen Paradigma zu einer Doktrin des Staatsinterventionismus war Thema des Vortrags „Erodiert das neoliberale Paradigma?“. Dieser wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) organisiert.

Neoliberales Fundament

Aus Sicht von Thomas Sablowski gewährleistet die EU die Akkumulation und Internationalisierung des Kapitals. Da ihre Grundlage in der neoliberalen Phase der 80er Jahre geschaffen wurde, sei eine wettbewerbsstaatliche Integrationsweise vorherrschend gewesen. „Offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, Ausschluss der wechselseitigen Haftung für Verbindlichkeiten der Mitgliedsstaaten, Verbot der monetären Staatsfinanzierung“, zählte der RLS-Referent für politische Ökonomie einige der neoliberalen Paradigmen auf. Allerdings gäbe es auch Ausnahmeregelungen, die in außergewöhnlichen Notsituationen eine finanzielle Unterstützung ermöglichten.

Druck auf schwache Staaten

Dass im Euroraum die unterschiedlichen Wechselkurse wegfielen, bevorzuge und benachteilige Staaten mit unterschiedlicher Wirtschaftsleistung. „Ein Land mit geringer Wirtschaftskraft, einem niedrigen Wachstum und kaum Inflation hätte eigentlich auch niedrige Zinssätze“, erklärte er. Länder mit hohem Wachstum, einer starken Konjunktur oder hoher Inflationsrate hingegen auch einen hohen Zinssatz. „Bei Ländern mit geringer Wirtschaftskraft würde die Währung abgewertet werden, was eine Art Schutzmechanismus ist“, sagte er. In der EU sei diese Differenzierung jedoch nicht möglich, so dass es zu einer verschärften Konkurrenz käme. Der Leistungsdruck laste dadurch einseitig auf den Ländern mit Leistungsbilanz-Defiziten, was sich auch in den dortigen Löhnen und Arbeitsbedingungen niederschlüge.

Krise und Sparkurs

Mit der Öffnung der EU nach Osteuropa wurde in den 90er Jahren eine Peripherie geschaffen. Zeitgleich herrschte ein finanzdominiertes Akkumulationsregime vor, im Zuge dessen das zinstragende und fiktive Kapital schneller wuchs als das Industriekapital. Mit Schaffung der Währungsunion sei es zu einer Produktionsverlagerung nach Osteuropa und China gekommen. „In Südeuropa kam es zu einem finanzfinanzierten Immobilien- und Konsumboom, der schließlich in die Finanzkrise 2007/08 führte“, erläuterte der Politikwissenschaftler. Danach hätten „Anpassungen“ im öffentlichen Dienst der krisenbetroffenen Länder sowie eine strikte Austeritätspolitik im Fokus gestanden.

Staat statt freier Markt

Ab 2020 setzte sich eine stärkere Regulierung, etwa bei den Lohnverhältnissen mit den Richtlinien zum Mindestlohn durch. Wenig später kam es in Frankreich jedoch auch zu einer grundlegenden Rentenreform. Im Finanzbereich erreichte man mit dem Next Generation EU-Programm eine Vergesellschaftung von Schulden, gegenüber China verfügte man Export- und Kapitalverkehrskontrollen. Und schließlich sollte das Europäische Chip-Gesetz die Halbleiterproduktion in Europa mit 43 Milliarden Euro fördern. „Die Volksrepublik investiert für ein ähnliches Projekt 150 Milliarden US-Dollar, bei den Vereinigten Staaten sind es 280 Milliarden“, verdeutlichte Sablowski die internationale Konkurrenzsituation.

Ziel: Steigende Exportquote

Angestrebt sei, dass 20 Prozent der Produktion in Europa stattfände. „Der US-Konzern Intel wird mit 10 Milliarden Euro subventioniert, damit er ein Werk in Magdeburg errichtet“, nannte er ein Beispiel. Allerdings stellten diese Maßnahmen stets eine Umverteilung zugunsten des Großkapitals dar. „Statt mit neoliberalen Methoden wird jetzt mit Staatsinterventionismus gearbeitet, das Ziel ist jedoch gleich“, hielt Sablowski fest. Denn die Exportquote der EU steige immer noch, was auch mit hohen Bilanzüberschüssen einhergehe.

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