1973: Die CIA und der Putsch in Chile

12. März 2024  Geschichte
Geschrieben von Kreisverband

Der chilenische Diktator Augusto Pinochet mit dem US-amerikanischen Außenminister Henry Kissinger, 1976 (Ministerio de Relaciones Exteriores de Chile, CC BY 2.0 CL)

Folter, Terror und der Ausverkauf eines gesamten Staates waren die Folgen des Militärputsches gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Die Journalistin Katja Maurer erläuterte in einem Vortrag bei der Stiftung Demokratie Saarland die innenpolitischen Konsequenzen sowie die Rolle der USA.

Parlamentarischer Sozialismus möglich

Der 11. September steht nicht nur für die Terroranschläge von al-Quaida auf das Word Trade Center 2001, sondern auch den Putsch des Generals Augusto Pinochets, der 1973 gegen den demokratisch gewählten Präsidenten von Chile, Salvador Allende, erfolgte. Denn Allendes Wahlsieg drei Jahre zuvor hatte der Welt gezeigt, dass der Sozialismus auf parlamentarischen Weg erreichbar ist. Unterstützung bei seinem militärischen Staatsstreich erhielt Pinochet von den USA.

CIA-Putsch in Guatemala

Doch war 1973 nicht das erste Mal, dass die Vereinigten Staaten ihnen nicht genehme Regierungen mit Gewalt absetzten. So hatte schon Jahrzehnte zuvor Jacobo Arbenz, Präsident von Guatemala, eine Agrarreform für das mittelamerikanische Land gefordert, um brachliegende Flächen an Kleinbauern umverteilen zu können. Als im Zuge dessen die Enteignung der US-amerikanischen United Fruit Company im Gespräch stand, organisiert die CIA 1954 einen Putsch. Bis 1986 herrschten seitdem in Guatemala verschiedene Militärdiktaturen.

Fußballstadion als Konzentrationslager

Wie Pinochet mit der Bevölkerung verfuhr, beschrieb die Journalistin Katja Maurer. „Der bekannte Musiker Víctor Jara wurde mit tausend anderen politischen Gefangenen in das Nationalstadion gebracht, dort gefoltert und schließlich mit über 40 Schüssen ermordet.“ Erst fünfzig Jahre später verurteilte ein Gericht einige seiner Mörder, die mittlerweile weit über 70 Jahre alt waren, zu langjährigen Haftstrafen.

Sozialistische Massenbewegung

Ende der 60er Jahre gab es mit den starken Gewerkschaften im Land, einer gut organisierten Bäuer*innenbewegung sowie mehreren linken Parteien eine progressive Kraft. „Die Unidad Popular ist das Produkt des chilenischen Volkes, nicht einer politischen Elite, die den nächsten Wahlsieg im Auge hat“, skizzierte Allende damals das Parteienbündnis. Der 40-Punkte-Plan der Regierung umfasste neben einer allgemeinen Schulspeisung mit Milch die Einführung eines gesetzlichen Rentensystems sowie den kostenlosen Schulbesuch. Neben einer Agrarreform setzte man auch auf die Besteuerung hoher Einkommen und die Nationalisierung ausländischer Konzerne.

Kein kommunistisches Einparteiensystem

Allende nannte dies einen „universellen Sozialismus“, der eine Unabhängigkeit von alteingesessenen Eliten, aber auch den USA, zum Ziel hatte. Dabei orientierte er sich jedoch nicht am Staatssozialismus der Sowjetunion, sondern fühlte sich der Bewegung blockfreier Staaten zugehörig, denen etwa Jugoslawien, die Vereinigte Arabische Republik oder Indien angehörten.

„Endlösung“ in Deutschland und Chile

„Nach dem 11. September ermordete das Militär tausende Menschen, hunderttausende wurden gefoltert“, ging Maurer auf die Zeit nach dem Putsch ein. Mit Gewalt und Terror brachte man so die Zivilgesellschaft zum Verstummen. Einer, der sich aktiv daran beteiligte, war der frühere SS-Standartenführer Walther Rauff, der in Deutschland für die Ermordung unzähliger Jüd*innen mittels Gaswagen verantwortlich gewesen war. Nach dem Putsch arbeitete er für den chilenischen Geheimdienst und galt dort als Experte für die „Solución Final“ gegen politische Gegner.

Neoliberalismus und Folter

Nach der Machtübernahme Pinochets kam es zur Privatisierung des Renten- und Krankensystems sowie der Bildung. In der Verfassung wurde der Vorrang der Privatwirtschaft vor der öffentlichen Hand festgeschrieben. Auch das Arbeitsrecht erhielt massive Restriktionen. Infolge dessen kam es zu Massenverelendung und Wirtschaftskrisen. Die Militärregierung reagierte mit der Folter – und mitunter Enthauptung – Oppositioneller. „Selbst nach dem Ende der Diktatur 1990 vertiefte sich der Neoliberalismus“, erklärte die Journalistin.

Spaltung der Gesellschaft

So spaltete sich die Gesellschaft in einige wenige, die ihre Kinder auf teure Privatschulen und ‑universitäten schickten, während sich der Großteil der Bevölkerung massiv verschulden musste. „Heute herrscht im Land eine der größten Klüfte zwischen arm und reich“, erläuterte Maurer die Konsequenz im internationalen Vergleich. 2006 kam es zu Protesten von Schüler*innen, 2011 demonstrierten zahlreiche Studierende gegen das System, 2019 gingen erneut Millionen Bürger*innen auf die Straße. Doch die Hoffnung auf eine neue Verfassung, die mit dem Erbe der Pinochet-Diktatur brach, zerschlug sich. „Am 4. September 2023 lehnte eine überwältigende Mehrheit diese Chance zur Veränderung der politischen Kultur ab“, bilanzierte sie.

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