Russische Linke gegen den Krieg

27. August 2023  International
Geschrieben von Kreisverband

Andrej Rudoy (rechts im Bild), Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung

Auf der Veranstaltung „Meeting gegen den Krieg“ wurde die Bildung einer internationalen Allianz sozialistischer Kriegsgegner*innen gefordert. Deutliche Kritik wurde an der liberalen russischen Opposition geübt. Das Treffen wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Saarland organisiert.

Flucht wegen Antimilitarismus

„Viele europäische Linke haben ein veraltetes Russlandbild im Kopf“, erklärte Andrey Rudoy. Der frühere Co-Vorsitzende der Lehrer*innen-Gewerkschaft „Utschitel“ erreichte in Netz durch seinen YouTube-Kanal „Vestnik Buri“ (Sturmvogel) eine hohe Bekanntheit. Darin redet er über Marxismus, Politik und Geschichte. Wegen seiner eindeutigen Antikriegshaltung musste Rudoy ins französische Exil.

Russischer Imperialismus

Die Russische Föderation sei nicht mehr das vom Westen gedemütigte und von neoliberalen Reformen ausgeplünderte Land wie vor 25 Jahren, erklärte er. Putin habe mittlerweile eine strenge Ordnung in der herrschenden Klasse etabliert, das russische Finanzkapital fuße auf dem einträglichen Erdölgeschäft. Schon seit den 2010er Jahren würden russische Konzerne massiv in den Nahen Osten und in Afrika investieren. „Die Firmen kaufen Afrika mit imperialistischer Strategie auf und sichern ihren wirtschaftlichen Einfluss durch private Militärunternehmer wie die Gruppe Wagner“, erläuterte Rudoy.

Russland gegen den Westen

Aktuell sei die Ukraine die Konfliktzone zwischen dem russischen und dem westlichen Imperialismus. „Schon mit dem Gasstreit von 2005 versuchte das russische Kapital seine Stellung in der Ukraine zu festigen“, erinnerte er. 2014 habe der Krieg zwischen Russland und dem Westen auf dem Gebiet der Ukraine begonnen, der 2022 erneut eskalierte. „Auf der einen Seite ist das russische Kapital und seine Militarist*innen, auf der anderen der Westen mit der NATO“, hielt Rudoy fest.

Globale Antikriegs-Allianz

Was es brauche, um den Krieg zu beenden, sei eine Verbindung von ukrainischen, russischen und anderen postsowjetischen Linken, die gemeinsam mit Genoss*innen weltweit antiimperialistische Forderungen formulierten. „Weitere Gruppen, etwa aus Frankreich, Brasilien oder den USA können sich unserem Aufruf anschließen“, blickte er in die Zukunft. Für die Menschen auf der Krim und dem Donbas wünscht er sich eine freie Entscheidung unter internationaler Kontrolle, die nicht von vorgehaltenen Waffen bestimmt würde.

Protest gilt als „Nationalverrat“

Alexej Sachnin, ein Mitbegründer der „Linken Front“, skizzierte deren Werdegang von der linksradikalen Opposition zur Kriegsbefürwortung. Als es im Zuge der Dumawahl vom Dezember 2011 zu Massenprotesten wegen Wahlfälschung kam, wurde behauptet, die Opposition wolle im Dienste westlicher Länder die Zerschlagung Russlands forcieren und dessen Überreste an Lettland, Finnland oder Deutschland veräußern. Während viele Genossen Sachnins verhaftet wurden, gelang ihm, der als „Nationalverräter“ diskreditiert wurde, die Flucht nach Schweden.

Zerwürfnis und erneutes Exil

Dort schrieb der Journalist weiterhin gegen Putin an, bis er sich im Rahmen der Maidan-Proteste kritisch mit der Haltung westlicher Staaten in dem Konflikt auseinandersetzte. Daraufhin wurde ihm die schwedische Staatsbürgerschaft verweigert. „Zurück in Russland erwartete mich eine voll etablierte Diktatur“, veranschaulichte er die Eindrücke bei seiner Rückkehr. Als die russische Führung Panzer und Flugzeuge gegen friedliche ukrainische Städte schickte, konnte er ebenfalls nicht schweigen. „Die Linke Front schloss sich meiner Antikriegshaltung nicht an“, sagte er. Zusammen mit rund 20 Prozent der Mitglieder trat er deshalb aus der Organisation aus.

Bevor er ebenfalls nach Frankreich fliehen musste, baute er mit den „Sozialist*innen gegen den Krieg“ eine Oppositionsgruppe auf, in der gemäßigte Sozialdemokrat*innen und Stalinist*innen ebenso vertreten sind wie radikale Marxist*innen und Trotzkist*innen.

Für Krieg und Frieden

Die hohe Zustimmung von bis zu 70 Prozent der Bevölkerung, die laut Umfragen den Krieg befürworten, erklärte er mit staatlicher Repression und Nationalismus. „Eine elfjährige Schülerin malte ein Paar unter der russischen und ukrainischen Flagge mit dem Titel ,Kein Krieg‘“, schilderte Sachnin eine Begebenheit aus der Region Tula. Daraufhin wurde ihr Vater zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Seiner Einschätzung nach seien nur 10 bis 25 Prozent der Russ*innen klare Kriegsbefürworter. Rund 60 Prozent der Befragten unterstützten zwar den Krieg, sprächen sich jedoch zugleich für einen sofortigen Frieden und Investitionen in Sozialausgaben anstatt in den Rüstungsetat aus.

Klassenkampf in Russland und Frankreich

Zugleich gaben einige an, als Anhänger des Oppositionellen Nawalnys zwar gegen den Krieg zu sein. Sie hätten jedoch auch die Sorge, bei einer Niederlage Russlands für diese bezahlen zu müssen. „Krieg ist schlecht – aber eine Niederlage ist schlimmer“, nannte er ein weiteres Zitat. Konflikte sah er auch bei den im französischen Exil lebenden Russ*innen. Viele hätten sich etwa in der Organisation „Russie-Libertés“ engagiert. „Sie untersagen uns Proteste gegen Macrons Rentenreform, obwohl sie denen ähneln, die Putin vor fünf Jahren durchsetzte“, kritisierte Sachnin die liberale Opposition.

„Ein Sieg der Liberalen mit dem Westen bedeutet einen Sieg der Elitenkoalition“, warnte er. Einzig die Linke trete für eine Friedenslösung ein, bei der nicht die Armen der Gesellschaft die Kosten zu tragen hätten.

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